In Brasilien kennt es jeder, und jeder Fussball-Fan im Ausland kennt es auch. "Was das Santiago Bernabeu oder das San Siro in Europa sind, ist weltweit das Maracan", sagte Russlands Nationaltrainer Fabio Capello an dieser WM. Das Maracan gilt als Kathedrale des Fussballs, um die Geschichte des ehemals grssten Stadions der Welt ranken sich viele Legenden und Mythen.
Offiziell heisst das Stadion im Stadtteil Maracan "Estadio Jornalista Mario Filho". Als Erinnerung an einen lokalen Journalisten, der sich dafr eingesetzt hatte, dass das Stadion anlsslich der ersten Fussball-WM in Brasilien 1950 nicht in Jacarepagua im Westen der Stadt, sondern in der Nhe des Stadtzentrums auf einer ehemaligen Pferderennbahn gebaut wurde. Spter wurde das Maracan mehrfach renoviert und zuletzt auf die Endrunde 2014 hin fr gut 300 Millionen Euro modernisiert. Es ist die zweitgrsste Touristenattraktion der Stadt mit seinen ber sechs Millionen Einwohnern. Das Stadion wird auch Teil der Olympischen Spiele in zwei Jahren sein, in ihm werden unter anderem die Erffnungs- und die Schlussfeier ber die Bhne gehen.
Dem Wandel der Zeit konnte sich auch das Maracan nicht widersetzen. Dort wo sich frher knapp 200'000 Menschen auf die Stehrampen und spter noch weit ber 100'000 auf Holzbnke gedrngt haben, befinden sich jetzt 78'000 Schalensitze und VIP-Logen. Dort, wo ein Graben das Spielfeld von den Tribnen trennte, sitzen nun die Zuschauer in der ersten Reihe, 14 Meter vom Rasen entfernt. Und von den obersten Rngen ist nicht nur der Blick auf das Spiel perfekt, sondern auch jener auf die Christusstatue auf dem Corcovado, dem bekanntesten Wahrzeichen der Stadt. Befrworter loben die Architektur und die Akustik, Nostalgiker klagen, dass mit dem Umbau der Charme des Stadions verloren ging. "Die Modernisierung war der einzige Weg, es zu erhalten", sagte Daniel Hopf Fernandes, der Architekt der Renovierung.
Die Geschichten, die das Maracan schrieb, sind unzhlig. Sie reichen vom ersten Tor des Brasilianers Didi bis zum bisher letzten des Deutschen Mats Hummels im Viertelfinal gegen Frankreich. Pel schoss hier sein erstes und 1000. Tor, Zico, eine weitere legendre Nummer 10 der "Seleo", erzielte im Maracan 333 Treffer. Nie hatten mehr Zuschauer einem Fussballspiel beigewohnt als in dieser Betonschssel im Herzen Rio de Janeiros. Auch die grssten Rockstars sowie Papst Johannes Paul II. traten im Maracan auf.
Die berhmteste Anekdote ereignete sich gleich zu Beginn der 64 Jahre alten Historie des Stadions, als Brasilien an der Heim-WM 1950 das letzte Spiel gegen Uruguay 1:2 verlor und den WM-Titel verpasste. "Drei Leute brachten das Maracan mit einer Bewegung zum Schweigen. Frank Sinatra, der Papst und ich", sagte Alcides Ghiggia, Uruguays Torschtze zum 2:1, viele Jahre spter. Der portugiesische Begriff "Maracanao" stand bis am letzten Dienstag als Symbol fr die grsste Niederlage in der brasilianischen Fussball-Historie. Heute Sonntag htte Brasilien die Schmach von 1950 vergessen machen sollen, doch das Drehbuch dieser WM hat fr den Gastgeber am letzten Dienstag eine unerwartete Wendung genommen.
Obwohl der Gastgeber den Final verpasste, erlebte das Stadion auch whrend dieser WM Geschichten, die in Erinnerung bleiben werden. Hier startete Argentinien mit einem Sieg gegen Bosnien-Herzegowina seinen Weg bis in den Final, hier warf Chile Titelverteidiger Spanien aus dem Turnier, hier leuchtete der Stern des Kolumbianers James Rodriguez bei seiner Tor-Doublette im Achtelfinal gegen Uruguay so hell wie noch nie, und hier folgt heute Sonntag der finale Showdown zwischen Deutschland und Argentinien. Es ist nur ein weiteres Kapitel in der ruhmreichen Geschichte des berhmtesten Stadions der Welt. (Si)