Eine Heldengeschichte ist nur dann eine Heldengeschichte, wenn die Helden der Geschichte nicht schon als Helden erwartet werden, bevor die Geschichte erzählt wird. Eine weitere Grundlage ist natürlich der Erfolg der Helden, und auch die Charakteristika des Weges dorthin. Nehmen wir beispielsweise den Gewinn einer Fußball-Weltmeisterschaft: Das ein oder andere Hindernis lässt einen solchen Triumph retrospektiv noch deutlich heroischer erscheinen als ein felsenfreier Pfad, der ohne große Herausforderung zur Entgegennahme des Pokals geführt hat.
Keine Frage also – die deutsche Mannschaft erfüllt alle Voraussetzungen, Protagonist einer solchen Heldensaga zu sein.
Sie galt zwar als ein, nicht aber als der Favorit auf den Titel. Zumal sie mit so vielen negativen Erscheinungen zu kämpfen hatte, dass trotz des nur so vor hochtalentierten jungen Männern überquellenden Aufgebots keineswegs damit zu rechnen war, der DFB-Elf würde ein Durchmarsch zum Triumph gelingen. Schließlich war auch die Liste der Konkurrenten ursprünglich lang – man denke nur an die Spanier, die Italiener oder die Engländer, die allesamt nach der Gruppenphase heimgereist sind.
Jene eingangs erwähnte Faktoren, die eine Heldengeschichte ausmachen, stehen in direktem Zusammenhang. Es war eben auch die von ungünstigen Ereignissen dominierte Vorbereitung, die die Hoffnungen auf den Titelgewinn der Nationalmannschaft hierzulande vehement gedämpft haben.
Lothar Matthäus ist mit insgesamt 150 Länderspielen der Rekordspieler der deutschen Nationalmannschaft. 1990 führte der Franke die deutsche Nationalelf zum WM-Titel.
(BILD: Getty Images)
Die verletzten Leistungsträger Manuel Neuer, Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger. Der Autounfall mit zwei Verletzten während eines PR-Termins im Trainingslager. Das enttäuschende 2:2 im Testspiel gegen Kamerun. Der Bundestrainer, der seinen Führerschein verliert. Kevin Großkreutz, der in eine Hotellobby pinkelt. Im letzten Testspiel dann Marco Reus, der sich verletzt und seine Teilnahme absagen muss. Das Mannschaftsquartier wurde erst im letzten Augenblick fertig, und schließlich blieb auch noch der Mannschaftsbus bei der Ankunft in Santo André auf der Fähre hängen. „Chaos-Vorbereitung“, haben manche Medien getitelt. Tatsächlich: Die Vorzeichen waren nicht sonderlich vielversprechend. Die Sorgen vor den klimatischen Bedingungen in Brasilien nicht zu vergessen.
Es folgte eine sportliche wie emotionale Achterbahnfahrt. Das furiose 4:0 zum Auftakt gegen Portugal, begünstigt durch allerlei Einflüsse des Schiedsrichters. Der kaum überzeugende Auftritt beim 2:2 gegen Ghana. Die ordentliche Leistung beim 1:0 gegen die USA. Die im letzten Moment abgewendete Blamage gegen Algerien im Achtelfinale. Und der souveräne 1:0-Sieg gegen Frankreich im Viertelfinale.
Lesen Sie auf der nächsten Seite weiter