"Die Leute stehen in der Kurve. Der erste pfeift, sie schauen sich an, lachen - ja, ja, der Chancentod wieder. Und pfeifen mit", erzählt Gomez in der "Bild". "Und wissen nicht, was sie damit bewirken. Zum Beispiel bei meinen Eltern. Ich kann mir vorstellen, dass sie am Mittwoch eine schwere Nacht hatten. Für meine Eltern tut es mir richtig leid."
Die Worte des gebürtigen Schwaben stimmen nachdenklich. Schon Bundestrainer Joachim Löw hatte die eigenen Anhänger für den unerbittlichen Umgang mit seinem Stürmer kritisiert. Jetzt gibt Gomez tiefen Einblick in seine Seele. Als Familienmensch. Als Individuum. Und als Sportler. "Wenn man mit Pfiffen aufs Feld geht, weiß ich nicht, welcher Fußballer da befreit aufspielt. Wenn die Fans wollen, dass ich gut spiele, dann kannst du nicht schon pfeifen bei einer Einwechslung. Wie soll das funktionieren?"
Fest verankert in den Köpfen der Fans ist Gomez' Fehlschuss gegen Österreich bei der EM 2008. Seitdem ist er Sündenbock Nummer eins. Den Spaß an der Nationalmannschaft versucht sich der 29-Jährige trotzdem nicht nehmen zu lassen. Es mache ihm noch immer "jedes mal Spaß, hier zu sein". Er habe es zwar satt, sich zu rechtfertigen. Doch jeder, der weiß, wie wichtig Gomez seine Familie ist, wundern seine Worte nicht.
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Dabei ist Gomez' Torquote überragend. Egal, wo er gespielt hat. 236 Bundesliga-Spiele für den VfB Stuttgart und den FC Bayern, 138 Tore. 46 Spiele in der Königsklasse, 27 Tore. Im DFB-Pokal knipste er 25 Mal in 29 Spielen. Europa League? Acht Tore in 14 Auftritten. In der Serie A hat er in zehn Auftritten bislang drei Mal eingenetzt. Gomez, der Torjäger. Auch in der Nationalmannschaft hat er bereits 25 Mal (in 60 Spielen) getroffen. Kaum ein anderer deutscher Stürmer hat in den letzten Jahren derart konstant auf höchstem Niveau seine Gefahr vor dem gegnerischen Tor bewiesen.
Offenbar ist das alles nichts wert. Es erscheint fraglich, ob sich Gomez je aus dieser Mobbing-Spirale wird herausballern können. Man kann ihm nur wünschen, dass er am Sonntag gegen Schottland ein sportliches Ausrufezeichen setzt. Noch mehr wäre ihm allerdings zu wünschen, dass die Fans ihn zur Abwechslung mal mit Applaus empfangen würden.