"Der deutsche Freund" im Kino Gefangen im Theater der Geschichte


Von
Philipp Stadelmaier

Schwierige Liaison in Argentinien: Die Deutsch-Jüdin Sulamit kommt aus einer Familie, die dem Holocaust gerade noch entfliehen konnte. Die Familie ihres "deutschen Freundes" Friedrich musste ebenfalls auswandern - weil der Vater ein Nazi war. Die zwei Liebenden möchten die lästigen historischen Rollen abstreifen. Doch das erweist sich als unmöglich.

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Wollen sich in einer Privatsphäre außerhalb der Geschichte und des Politischen endlich vereinen: Friedrich (Max Riemelt) rechts und Sulamit (Celeste Kid).
(© Neue Visionen)

Buenos Aires, Fünfzigerjahre. Auf dem Schild, unter dem der Junge das Mädchen umarmt, steht: "Siempre estarán juntos". Immer zusammen sein - das werden die beiden Nachbarskinder in Buenos Aires, die von Kindertagen an eine tiefe Freundschaft, später eine Liebe verbindet, in der Tat.

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Das Mädchen, Sulamit, Deutsch-Jüdin (Celeste Kid) trägt den Namen ihrer Tante, die im KZ ums Leben kam. Ihre Familie konnte gerade noch fliehen. Friedrich, ihr "deutscher Freund", stammt ebenfalls aus einer Auswandererfamilie. Im Gepäck: der Brotkorb mit dem Hakenkreuz.

Das sieht nach einer schwierigen Liaison aus, die zwei Länder und Erdteile umspannt - von der Geschichte ebenso zusammengekittet wie total zerrissen. Friedrich geht bald nach Deutschland zurück, auf der Suche nach den Wurzeln des väterlichen Übels.

In Frankfurt schließt er sich der Studentenbewegung an und macht kritische Theorie, die ihn schnell enttäuscht. Als Sulamit ihm hinterherreist, will er schon wieder zurück nach Argentinien: das folternde Regime am eigenen Fleisch erleben und bekämpfen, die Kontinuität zwischen deutschem und südamerikanischem Faschismus brechen, anstatt das alles nur theoretisch zu kritisieren. Sie bleibt in Deutschland fürs Literaturstudium, er reist ab: auf den "Privatscheiß" zwischen ihnen kann er sich gerade nicht einlassen.

Und doch hat man das seltsame Gefühl, als würde sich alles in einem sehr engen, privaten Rahmen abspielen. Zum einen, weil die Regisseurin Jeanine Meerapfel selbst als deutsch-jüdische Emigrantentochter in Buenos Aires aufgewachsen ist, was den "Deutschen Freund" biografisch einfärbt. Zum anderen aber auch, weil der Raum des Films, in Einstellungen von wenig variierter Distanz, wie eine geschützte Bühne wirkt. Äußere Ereignisse werden eher durch Botenberichte verkündet oder durch Archivmaterial evoziert.

Naive Sehnsucht nach Versöhnung

Alles wird getragen von einer naiven Sehnsucht nach Versöhnung, vom Versuch einer Relativierung der deutsch-jüdischen Vergangenheit: Es gibt das Verlangen der Jüdin, auf einer Fotografie die SS-Tätowierung auf dem Arm von Friedrichs Vater nicht mehr zu sehen; oder Friedrich entgegenzuhalten, dass auch jüdische Eltern streng sein können - während der sich noch in seinem Nazi-Vater-Hass verliert.

Zwei Liebende möchten die lästigen historischen Rollen abstreifen, um den Rest von der Zeit heilen zu lassen und um sich in einer Privatsphäre außerhalb der Geschichte und des Politischen endlich zu vereinen.

Aber die Bühne mag noch so intim sein - sie wird immer ein Theater der Geschichte bleiben. Die beiden hören nicht auf, sich zu verlieren. Die Zeit heilt nichts: sie trennt. Etwa durch diese unvermittelten, traumatischen Schnitte, zwischen denen Sulamit urplötzlich um Jahre gealtert ist - ohne Friedrich. Und wenn sich die beiden am Ende wiedertreffen, dann sicher nicht, um gemeinsam ihren Lebensabend zu verbringen.

Der deutsche Freund, D/Argentinien 2012 - Regie, Buch: Jeanine Meerapfel. Kamera: Victor González. Musik: Floros Floridis. Mit Celeste Cid, Max Riemelt, Benjamin Sadler. Neue Visionen, 104 Min.


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(SZ vom 06.11.2012/pak)

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