Bandoneons aus Sachsen lassen den Tango klingen





Freitag, 04.10.2013



Mit Fingerspitzengefühl montiert Handzuginstrumentenmacher Ralf Skala in Klingenthal ein Bandoneon.

©dpa

Klingenthal.
Der Argentinische Tango hat einem schon fast vergessenen Musikinstrument im Vogtland und Erzgebirge neues Leben eingehaucht. Seit dieser Tanz in Ball- und Konzertsälen eine ungeahnte Renaissance erlebt, sind Bandoneons aus Sachsen wieder gefragt. Kleine Unternehmen in Klingenthal und Carlsfeld haben die einst florierende Fertigung dieser Instrumente wieder aufgenommen, ohne die kaum ein Tango auskommt. In den 1960er Jahren war deren Produktion zum Erliegen gekommen.

„Wir wollen das Bandoneonspiel den Menschen wieder näher bringen und auch Tango-, Akkordeon- und Klavierspieler für das Instrument begeistern“, sagt die Chefin der zehn Jahre alten Bandonion Concertinafabrik Klingenthal, Anja Rockstroh. Bandoneons sind Harmonikas - wie etwa auch die Akkordeons oder die Concertinas. Allerdings sind Bandoneons nicht ganz billig. So kosten etwa die Instrumente von Uwe Hartenhauer, der ebenfalls in Klingenthal seine Werkstatt hat, zwischen 3.350 Euro bis mehr als 8.000 Euro. Hartenhauer, der sein Handwerk am Akkordeon gelernt hat, baut schon seit 1991 Bandoneons - etwa 20 Stück im Jahr.

Das Bandoneon kam Mitte des 19. Jahrhunderts auf und war vor allem in der Volksmusik und der Arbeiterbewegung einst weit verbreitet. Als Namensgeber und Erfinder gilt zwar der Musikalienhändler Heinrich Band (1821-1860) aus Krefeld (Nordrhein-Westfalen). Hergestellt wurden die Instrumente aber vor allem in der Harmonikafabrik von Carl Friedrich Zimmermann in Carlsfeld, der 1864 nach Amerika auswanderte und seine Fabrik seinem Werkmeister Ernst Louis Arnold verkaufte. Vom 11. bis 13. Oktober würdigt Carlsfeld sein Traditionsinstrument mit dem 20. Bandoneonfestival.

Berühmt wurden vor allem die Instrumente von Alfred, Ernst Louis Arnolds Sohn, aus den 1920er und 1930er Jahren mit dem Label „A-A“. Diese genießen bei Bandeonisten noch immer einen geradezu legendären Ruf: Ihr Klangbild gilt als Maßstab für jeden Bandoneonbauer - so wie es etwa Silbermann-Orgeln im Orgelbau sind.

Jetzt klebt das „A-A“-Label auf den Bandoneons der Bandonion Concertinafabrik, die an die alte Tradition anknüpfen will. „Wir haben viele Jahre experimentiert, mit Restauratoren gesprochen und jedes Detail unter die Lupe genommen“, sagt Rockstroh. Viele der rund 1900 Einzelteile müssten von Hand angepasst werden. Die neuen Instrumente seien technisch modern. Damit könne nicht nur Tango, sondern auch Klassik oder gar Jazz gespielt werden. Anfangs hätten zwar weder Banken noch die Treuhand an einen Erfolg geglaubt. Jetzt exportiere der Betrieb mit vier Mitarbeitern aber bereits nach Frankreich, Finnland, Deutschland, England, Spanien und Österreich. Auch Argentinien sei wieder im Kommen.

Die Künstler wollen Altes

Die neuen Instrumente haben es bei den Bandoneonspielern nicht leicht. „Viele Spieler wollen immer nur auf den alten Instrumenten musizieren“, sagt Yvonne Hahn, eine 42-jährige Konzertbandeonistin aus Berlin, die im französischen Avignon lebt. Dabei habe die Zeit an denen ihre Spuren hinterlassen. So sei etwa oft der Balg nicht mehr dicht. „Es ist schön, dass es endlich wieder neue Instrumente gibt.“ Immer mehr Menschen interessierten sich für das Bandoneon. „Es klingt einfach fantastisch. Die Menschen sind meist begeistert.“

Auswanderer sollen das Bandoneon einst nach Argentinien an den Rio de la Plata mitgebracht haben, wo es im Tango Eingang fand. Einer Legende nach haben deutsche Seeleute das Instrument in den verruchten Spelunken und Bordellen von Buenos Aires heimisch gemacht - dort, wo um 1880 der Tango entstand. Dessen meist etwas schwermütige, melancholische Stimmung soll angeblich der Sehnsucht der Seeleute und den Träumen gescheiterter Einwanderer entsprungen sein.

Der durchdringende, warme Klang des Bandoneons wurde dessen akustisches Markenzeichen. Der Tango Argentino wurde 2009 von der Unesco zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt. Eine sächsische Delegation war 1998 in Argentinien noch mit der Frage nach dem Instrument überrascht worden. Das südamerikanische Land war vor dem Krieg das wichtigste Exportland für Bandoneons aus Sachsen. Die alten Instrumente sind dem argentinischen Staat so wertvoll, dass er sie schützt. Für Bandoneons, die älter als 40 Jahre sind, besteht ein Ausfuhrverbot, bestätigt die argentinische Botschaft in Berlin.

Der 51-jährige Hartenhauser exportiert aber vor allem nach China, Japan und die USA. Nach Argentinien gehe fast nichts. „Ich habe mein eigenes Design entwickelt und will mir selbst meinen Namen machen“, sagt er, will sich von „A-A“-Instrumenten bewusst abgrenzen.

In Carlsfeld, in der ehemaligen Werkstatt von Ernst Louis Arnold, hat sich inzwischen der erst 29 Jahre alte Robert Wallschläger niedergelassen und produziert seit 2007 Bandoneons. Er habe das Instrument schon als Kind gespielt, ein alter Instrumentenmacher habe es ihm einst beigebracht, erzählt er. Bürgermeister Uwe Staab (CDU) ist froh, dass sich der junge Mann am Ursprungsort niedergelassen hat. „Das Bandoneon gehört einfach zu Carlsfeld“, sagt er. Es sei verantwortungslos gewesen, die Produktion in Zeiten der DDR eingestellt zu haben. Er hoffe, das die Nachfrage nach den Instrumenten weiter steige und weitere Arbeitsplätze entstehen. (dpa)


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