Armut in Argentinien: Die Armen bescheren sich selbst

Bariloche, Argentinien - Bei einer vorweihnachtlichen Plünderungswelle sind in Argentinien zahlreiche Geschäfte ausgeraubt worden. Mindestens 35 Menschen wurden verletzt, als die Polizei versuchte, die Plünderer zu stoppen. Präsidentin Cristina Kirchner schickte 400 Bundespolizisten ins Zentrum der Unruhen, den schicken Touristenort Bariloche, in dessen Armenvierteln am Stadtrand die Plünderungen begonnen hatten.

Auch in Rosario und im Großraum Buenos Aires wurden Supermärkte geknackt und in Windeseile geleert. Örtliche TV-Sender zeigten vermummte Jugendliche, die mit Steinen und Pfählen die Türen und Scheiben einschlugen. Ganze Familien rannten mit Einkaufswagen voller Nahrung und Kleidung davon, aber auch beladen mit Alkohol und Fernsehgeräten. Die Plünderungswelle begann in El Alto, einem von rund 35 000 Menschen bewohnten Elendsviertel. Die Menge zog von Supermarkt zu Supermarkt, auch kleinere Geschäfte wurden nicht verschont. Die Polizei konnte die Plünderer zunächst nicht stoppen. Auch im mehr als 1200 Kilometer entfernten Rosario kam es zu Ausschreitungen. In Campana, im Großraum von Buenos Aires, versuchten Plünderer in einen Supermarkt einzudringen, nahmen sich aber, nachdem die Polizei sie daran hinderte, die Autos und Lastwagen vor, die auf einer nahen Autobahn vorbeikamen.

In Bariloche ist die Kluft zwischen Arm und Reich besonders groß. Die Stadt ist ein Zentrum des Luxus- und Skitourismus, auch Technologieentwicklung und Forschung konzentrieren sich hier. Der Vorort El Alto aber besteht aus miserablen, im Winter ungeheizten Beton-, Bretter- und Blechbuden. Die zuletzt gestiegenen Grundstückspreise haben die Wohnungsnot verschärft. Seit Jahren wird beklagt, dass Kokain und die Armutsdroge Paco mit der stillschweigenden Komplizenschaft der Polizei vermarktet werden. So kam die Plünderungswelle nicht überraschend. Bariloches Bürgermeister Omar Goye hatte die großen Supermärkte aufgefordert, weihnachtliche Geschenkkörbe für Bedürftige zu spenden, weil sonst Übergriffe nicht auszuschließen seien. Die Geschäftsführer lehnten das ab – sie empfanden den Vorschlag als Druck oder gar Erpressung.

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