Die große Kulisse meidet Cristina Kirchner momentan. Sogar beim WM-Endspiel macht sich die Staatschefin rar. Jetzt ist der Alltag wieder da, immer noch muss sie eine Staatspleite abwenden. In Deckung gehen ist da keine Option.
Die argentinische Regierungschefin Cristina Kirchner pumpt zwar jede Menge Geld in die Fußball-Liga - angeblich umgerechnet 110 Millionen Euro -, um sich beim Volk beliebt zu machen, aber im Fußball-Stadion wird sie selten gesichtet. Selbst das WM-Endspiel Deutschland gegen Argentinien lockte sie nicht aus der Reserve. Während Angela Merkel ihren Jungs auf der Tribüne die Daumen drückte, war die Präsidentin eines Landes in Dauerkrise zuhause vor dem Fernseher - angeblich mit Kehlkopfentzündung. Möglicherweise hat ihr aber auch etwas anderes die Sprache verschlagen.
"Ich habe kein Spiel gesehen, auch nicht das gestrige", räumte sie mit Blick auf das Finale in Rio de Janeiro am Sonntag ein. Die "Albiceleste" unterlagen den Deutschen mit 0:1. An Lob für den Vizeweltmeister fehlte es der Präsidentin trotzdem nicht. "Ich fühlte einen immensen Stolz darüber, wie sie die Farben der Republik Argentinien verteidigten, mit Würde, Stolz, mit Können." Zu Recht. Fakt ist, die Argentinier spielen immer noch deutlich besser Fußball, als sie ihre Staatsfinanzen im Griff haben.
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17.06.14
– 01:34 min
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Gläubiger triumphieren
Urteil bringt Argentinien in Schwierigkeiten
Ein WM-Titel wäre dem Staat in diesen schweren Zeiten definitiv gelegen gekommen. Er ist zwar keine Lizenz zum Geld drucken, aber er hätte für kurze Zeit von der Tatsache abgelenkt, dass das Land wieder vor der Pleite steht. Der Regierung bleiben inzwischen weniger als zwei Wochen, um sich mit den Gläubigern über die Rückzahlung alter Forderungen zu einigen. Aber bisher ist von der innenpolitisch höchst umstrittenen Regierungschefin kein vernünftiger Beitrag zur Lösung des Schuldendramas gekommen.
Hängepartie in New York
Die argentinischen Unterhändler in New York spielen auf Zeit und von Kirchner hört man nur, wie sie gegen die "Geierfonds" wettert. Gerne tut sie so, als sei die Heuschreckenplage über das Land gekommen. Dabei sind die Probleme im Land größtenteils hausgemacht. Die Umschuldung 2005 und 2010 nach der Staatspleite 2001 ist sowohl von ihr als auch ihrem inzwischen verstorbenen Mann und Amtsvorgänger, Nestor Kirchner, miserabel umgesetzt worden - darin sind sich alle Experten einig.
Was mit dem ganzen Geld unter den beiden Kirchner-Regierungen passiert ist, um das Buenos Aires durch den Schuldenschnitt erleichtert wurde, ist ein Rätsel. Argentinien steht schlechter da, als 2001. Das Land schrammt an einer Rezession vorbei und droht in die nächste tiefe Krise zu rutschen. Dabei hat Argentinien dank des Rohstoff-Booms gute zehn Jahre nach dem Staatsbankrott gehabt. Das Land verfügt über die zweithöchsten Gas-, Öl- und Schieferreserven der Welt. Es ist der drittgrößte Exporteur von Sojabohnen, die Nummer 1 bei Sojaöl und Soja-Kraftstoff. Aber statt mit dem Geld die Schuldensituation zu bereinigen, wurde das Geld für andere Dinge verwendet.
Suche nach frischen Geldquellen
Und was macht Kirchner? In der höchsten Not wendet sich die studierte Juristin, deren eigenes Vermögen auf 13 Millionen Euro geschätzt wird und deren Gehalt ein Staatsgeheimnis ist, an ihre Verbündeten. Vergangenes Wochenende hat Russlands Präsident Wladimir Putin auf seiner Lateinamerika-Rundreise in Buenos Aires Halt gemacht. In ein paar Tagen steht der Besuch von Chinas Staatspräsident Xi Jinping in Kirchners Terminkalender. Xi nimmt wie Putin am Treffen der sogenannten BRICS-Staaten in Brasilien teil.
China ist der wichtigste Handelspartner Argentiniens. Die Volksrepublik investiert so viel wie kein anderes Land. Kirchner demonstriert der Welt, dass sie noch viele Freunde und Optionen hat. Vermutlich geht es bei den Gesprächen auch um Geld. Thema könnte sein, inwieweit sich die beiden Staaten an der Erschließung von Schiefergas- und Schieferölvorkommen beteiligen können. Im Vaca-Muerta-Becken in Patagonien werden die viertgrößten Ölvorkommen dieser Art vermutet. Für eine Erschließung sind enorme Investitionen nötig. Was Kirchner dabei nicht bedenkt, ist, dass sich ihre Partner Zusagen über Geld und Investitionen vermutlich verkneifen werden, solange das Schuldenproblem mit den Hedgefonds nicht gelöst ist. Kirchner versucht, das Pferd von hinten aufzusatteln.
Ein Spiel mit dem Feuer
"Königin Cristina", wie sie genannt wird, und deren Hobby Luxus-Shopping auf Auslandsreisen ist, spielt nur noch Theater. Sie hat ihren Zenit längst überschritten. In Buenos Aires gibt es immer wieder Massendemonstrationen gegen sie. Viele Argentinier haben die Nase gestrichen voll von Kriminalität, Krisen und Korruption.
Demnächst wird die Drohkulisse, die sie gegen die Hedgefonds aufgebaut hat, bröckeln. Kirchner muss einlenken. Es ist ihre zweite und damit letzte Legislaturperiode. Ihre Partei hat bei den letzten Kongresswahlen im dritten Quartal 2013 sehr schlecht abgeschnitten. Eigentlich wollte sie mit einer Mehrheit in Senat und Kongress die Verfassung ändern, um weiter regieren zu können. Der Plan ist missglückt.
Kirchners Handlungen sind damit nicht mehr darauf ausgerichtet, wiedergewählt zu werden. Mit Schimpftiraden gegen die "Geierfonds" damit nicht viel mehr als Stimmungsmache. Auf keinen Fall kann sie riskieren, dass das Land innerhalb von nur zwei Wochen eine weitere Niederlage einsteckt. Was bliebe dann von der Kirchner-Ära in den Geschichtsbüchern übrig? Sie sollte sich jetzt lieber schnell um die Probleme des Landes kümmern, statt über die volle Distanz bis zum 31. Juli zu gehen und dabei zu riskieren, dass doch noch das Schlimmste eintrifft.
Quelle: n-tv.de
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