BUENOS AIRES—Der argentinische Peso verliert weiter dramatisch an Wert – ein Zeichen für das schwindende Vertrauen in das wirtschaftliche Krisenmanagement der Regierung.
Associated Press
Ein Mann kramt nach Kleingeld in Buenos Aires: Viele Bürger umgehen die staatlichen Devisenschranken und beschaffen sich auf dem Schwarzmarkt US-Dollar. Dort hat sich der Peso-Kurs jüngst dramatisch verschlechtert.
Seit mehr als zwei Jahren hält die argentinische Präsidentin Cristina Kirchner an einer Politik der strikten Währungsrationierung fest, um einen Ansturm argentinischer Bürger auf die als krisensicher geltenden US-Dollar-Reserven der argentinischen Zentralbank zu verhindern. Die Kontrollen aber haben den Schwarzmarkthandel mit US-Dollar nur belebt. Die Inflation in Argentinien steigt rasant, und Anleger verlieren zunehmend die Geduld mit der Regierung, die ihre Finanzsorgen kaum in den Griff zu bekommen scheint.
Zwar hat Präsidentin Kirchner erst im Oktober ihren Wirtschaftsminister, den Zentralbankchef und den leitenden Preiskontrolleur ausgetauscht, aber die lockere Finanz- und Geldpolitik des Landes wirkt sich weiterhin fatal aus. Argentiniens Inflation ist nach Berechnung von Ökonomen auf über 25 Prozent geklettert, auch wenn die Regierung selbst eine offizielle Rate von 10,5 Prozent meldet. Damit ist die Teuerungsrate die zweithöchste in Lateinamerika, nur in Venezuela steigen die Preise noch stärker.
Riesenkluft zwischen Wechselkurs und „dólar blue"
Zeitungen drucken regelmäßig die Schwarzmarktrate zum Umtausch von Peso und Dollar ab, im Volksmund auch „dólar blue" genannt. Am Mittwochabend kostete ein US-Dollar demnach etwa 11,20 Peso. Vorher lag das Rekordtief bei 10,93 Peso. Auf dem staatlich regulierten Devisenmarkt kostete ein US-Dollar fast 6,76 Peso.
Je größer der Abstand zwischen der Schwarzmarktrate und dem offiziellen Tauschkurs, desto größer ist die Angst vor einer heftigen Abwertung des Peso. Wegen des Wertverfalls des Peso hat sich die Kluft seit Dezember bereits von einem Niveau zwischen 50 und 55 Prozent auf etwa 64 Prozent erhöht. Im Vergleich zu Venezuela, wo der Abstand zwischen der offiziellen Tauschrate und dem Schwarzmarktkurs inzwischen bei über 900 Prozent liegt, ist das allerdings noch harmlos.
„Wenn die [Regierung] nicht die [Währungsrestriktionen] lockert, wird die Kluft bleiben. Aber sie hat nicht genug Dollar, um die Restriktionen aufzuheben", sagt Francisco Diaz, Währungshändler bei ABC Mercado de Cambios.
In diesen Monaten, wenn auf der Südhalbkugel der Erde Sommer herrscht, steigt meist die Nachfrage nach US-Dollar in Argentinien, weil viele Bürger in Urlaub fahren. Viele polstern ihre staatlich zugeteilten Dollarbündel bei Schwarzmarkthändlern auf.
Aber der Peso-Kurs ist seit Jahresanfang bereits um 9 Prozent eingebrochen. Das legt nahe, dass Argentinier weitaus größere Probleme haben als nur die Sorge, ob sie sich genügend Dollar zum Ausgeben in uruguayischen Strandresorts beschaffen können.
Abgeordnete der Opposition veröffentlichten am Dienstag einen Bericht, wonach die Inflation in Argentinien im Jahr 2013 bei 28 Prozent lag. Am selben Tag erklärte die Zentralbank, dass die Devisenreserven, mit denen Argentinien normalerweise seine ausländischen Gläubiger bezahlt und überlebenswichtige Importe wie Erdgas finanziert, auf ein Sieben-Jahres-Tief von 30 Milliarden Dollar geschrumpft sind.
Associated Press
Krisenmanager unter sich: Die argentinische Präsidentin Cristina Kirchner bei der Vereidigung des neuen Wirtschaftsministers Axel Kicillof im November.
Als der Peso vergangene Woche auf sein bisheriges Rekordtief stürzte, versuchte Jorge Capitanich, Kirchners Kabinettschef, die Öffentlichkeit zu beruhigen: Der Schwarzmarkt für Devisen sei in seinem Umfang nur „marginal" und spiegle mitnichten den Zustand der Gesamtwirtschaft wider, sagte er vor Journalisten.
Dante Sica, Direktor der Wirtschaftsberatung Abeceb in Buenos Aires, dagegen sagt: „Das Problem ist nicht nur, dass es zwei Wechselkurse gibt, sondern vielmehr, dass der Bruch zwischen beiden schon so lange so groß ist. Wirtschaftsakteure fangen jetzt an, ihre Preise – vor allem die für Dienstleistungen – auf Basis des Parallel-Wechselkurses zu setzen."
Ein schwächerer Peso schürt die Inflation und reduziert die Kaufkraft des Landes, weil sich mit ihm Importgüter verteuern.
Jahrelang war der Peso stabil geblieben und galt als einer der wenigen Anker gegen den Inflationsdruck in der argentinischen Wirtschaft. Aber in der ersten Hälfte des Jahres 2013 trieben die argentinischen Behörden die Abwertung des offiziellen Wechselkurses voran, um die Kluft zur Schwarzmarktrate zu verringern.
Vergangenes Jahr verlor der Peso ein Viertel seines Wertes; Ende 2013 lag der Umtauschkurs bei 6,52 Peso je Dollar. Auf dem örtlichen Rofex-Futures-Markt liegt der offizielle Preis je US-Dollar für Oktober bei 9,15 Peso.
Die Geldmenge steigt, das Devisendepot schrumpft
Inflationstreibend wirkt sich vor allem die Gewohnheit der argentinischen Regierung aus, sich bei der Zentralbank Geld zu leihen, um ihre Haushaltsdefizite zu kaschieren.
Analyst Sica sagt, das Verhältnis der staatlichen Devisenreserven zum gesamten öffentlichen Geldangebot ist ein guter Indikator für die Abwertung, mit der man noch rechnen könne. So kamen in Argentinien im Dezember auf jeden US-Dollar in den staatlichen Devisenreserven etwa 14 Pesos in den Taschen der Bürger oder auf Girokonten, belegen Daten der Zentralbank. Ein Jahr zuvor lag das Verhältnis noch bei 8 Pesos je Dollar.
„Sofern sich die Währungsreserven nicht erhöhen oder die Summe des gesamten umlaufenden Geldes in der Wirtschaft nicht sinkt, ist es schwer vorstellbar, dass es ein bedeutendes Absinken der [Schwarzmarkt-]Tauschrate geben wird", sagt Sica.
Kirchner und ihre Minister haben wiederholt Sparmaßnahmen – etwa Ausgabenkürzungen ausgeschlossen. Sie sagen, eine solche Politik würde der Wirtschaft nur schaden. Stattdessen haben sie zinsvergünstigte Kredite aufgelegt, welche die Industrieproduktion ankurbeln sollen. Und sie haben weitere Preiskontrollen eingeführt, die für eine ganze Reihe von Waren von Milch bis zu Kondomen gelten sollen.
Kontakt zum Autor:
redaktion@wallstreetjournal.de