Argentiniens General, der "die Subversion" auslöschte

General Jorge Rafael Videla war das Gesicht der Militärjunta, die Argentinien von 1976 bis 1983 regierte, obgleich er niemals allein die Macht am Rio de la Plata ausgeübt hat. Und so ging vor allem er in die Geschichte ein als der blutigste Diktator, der das Land je regierte. Der Name Admiral Emilio Masseras wiederum, der in der Junta die Marine vertrat, prägte sich dem hingegen weniger ein: Für die nach dem Putsch vom März 1976 begangenen Verbrechen trug er allerdings ebensoviel Verantwortung.

In der ihm direkt unterstellten "Escuela Mecánica de la Marina" befand sich das wichtigste Folterzentrum jener Jahre. Massera war übrigens der erste Peronist, der jemals zum Chef der argentinischen Marine ernannt wurde. Deshalb war er besser als jeder andere über die internen Machtkämpfe des tief gespaltenen Peronismus informiert.

1975 war Videla zum Oberkommandierenden der argentinischen Streitkräfte ernannt worden mit der ausdrücklichen Maßgabe, dass das Militär "die Subversion" auslöschen sollte. Deren Kraft wiederum hing zusammen mit den Auseinandersetzungen zwischen "rechten" Peronisten, die die Rückkehr General Peróns wollten, und "linken" Peronisten, die dies nur als Vorwand befürworteten, um danach einen an Kuba orientierten Weg durchzusetzen.

Viele und brutale Menschenrechtsverletzungen

Am Weihnachtstag des Jahres 1975 kündigte Videla der damaligen Regierungschefin Isabelita Perón, der Witwe des Mitte 1974 verstorbenen General Juan Domingo Perón, einen Militärputsch an, sollte ihre Regierung nicht imstande sein, das wachsende Chaos zu bändigen.

Isabelita Perón gelang dies nicht. Am 24. März 1976 übernahm das Militär die Macht, am Anfang mit erheblicher Zustimmung großer Teile der argentinischen Gesellschaft, denn Argentinien driftete unter den Schlägen einer immer stärker werdenden Guerilla in Richtung Bürgerkrieg.

Die Streitkräfte haben diese später dann zwar in die Knie gezwungen, dafür aber einen extrem hohen Preis bezahlt: Die Menschenrechtsverletzungen, die sie systematisch dabei begangen haben, beschädigten das Ansehen der argentinischen Streitkräfte so dauerhaft, dass sie als gestaltender Machtfaktor dadurch für immer ausgeschaltet worden sind.

Nie zuvor hatten Streitkräfte in Lateinamerika so viele und so brutale Menschenrechtsverletzungen begangen. Das argentinische Militär hatte nach dem Ende der Junta-Regierungen 1983 knapp 10.000 Tote zugegeben. Menschenrechtsorganisationen sprachen später immer von 30.000. Diese Zahl hat sich durchgesetzt, obgleich sie nicht einwandfrei zu dokumentieren ist.

Sergio Schoklender, ehemals Vertrauter und dann größter Kritiker von Hebe Bonafini, der Gründerin der "Madres de la Plaza de Mayo" behauptet, Bonafini habe die Zahl 30.000 "einfach nur erfunden". Und später sei es dann "einfach dabei geblieben".

Erstes Verfahren erschien als ungeheuerlicher Schritt

Es ist das Verdienst von Raúl Alfonsin, dem ersten Präsidenten nach den Militärregierungen, dass es ab 1983 überhaupt zu einem Verfahren gegen die wichtigsten Repräsentanten der Streitkräfte kam. Das erschien damals als ein ungeheuerlicher Schritt. 1985 wurde General Videla das erste Mal verurteilt – damals zu lebenslänglicher Haft.

Es war die dann folgende Regierung des neoperonistischen Präsidenten Carlos Saul Menem, die diese Verurteilungen durch ein Verjährungsgesetz rückgängig machte. Memen selbst hatte übrigens in der Zeit der Militärdiktatur mehrere Jahre im Gefängnis verbracht.

Als intimer Kenner des Peronismus wusste er allerdings um den Bruderkrieg in seiner eigenen Partei, der den Rahmen für die Bürgerkriegsähnlichen Zustände in Argentinien in der ersten Hälfte der siebziger Jahre geschaffen hatte.

Erneute Verurteilung unter Néstor Kirchner

Der ab 2003 regierende Peronist Néstor Kirchner machte diese Verjährung rückgängig und eröffnete neue Verfahren gegen die Mitglieder der Militärregierungen. Anders als Alfonsin hatte sich Kirchner aber in den Jahren von 1976 bis 1983 nie kritisch zu den Verbrechen der Militärs geäußert. Seine Schwester Alicia hatte einen Verwaltungsposten in der Regierungszeit Videlas.

Ebenso wenig hatte Kirchner die Amnestie unter Menem jemals in Frage gestellt. Mut erforderten seine neuerlichen Prozesse ab 2003 also nicht mehr. Das stieß vor allem vielen Anhängern Alfonsins bitter auf, dessen Bild als mutiger Kämpfer für die Menschenrechte in Argentinien von Kirchner und seiner seit 2008 regierenden Frau Cristina Fernández de Kirchner systematisch verdrängt worden ist.

Im Zusammenhang mit diesen neuen Verfahren nach 2003 wurde General Jorge Rafael Videla erneut verurteilt. In einem argentinischen Gefängnis ist er nun im Alter von 87 Jahren verstorben. Nicht nur für die Opfer und ihre Familien ist es bitter, dass er seine Taten nie öffentlich bereute.

 Jorge Rafael Videla auf einem Foto von 1977
Foto: AP

Jorge Rafael Videla auf einem Foto von 1977

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