„Argentinien passt ideal“

DIETER SATTLER: Beim Stammtisch gilt: Und ist der Gast noch so bekannt, bleiben wir trotzdem galant. Die erste Frage geht deshalb an Katja. Wird Deutschland Weltmeister?

KATJA STURM: Ja, ich fürchte schon.

SATTLER: Du fürchtest? Würdest du dich nicht freuen?

STURM: Ich bin ein bisschen zwiegespalten. Auf der einen Seite freue ich mich natürlich, wenn Deutschland Weltmeister wird. Auf der anderen Seite habe ich ein Herz für die anderen Sportarten, und ich weiß nicht, ob es für die anderen Sportarten gut ist, wenn der Fußball noch einmal so richtig die Krone auf bekommt.

SATTLER: Charly, siehst du das auch so?

KARL-HEINZ KÖRBEL: Katja hat nicht so unrecht. Aber für den Bundesliga-Fußball ist es natürlich genial, wenn wir Weltmeister werden – und wir werden Weltmeister, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich hätte Bedenken gehabt, wenn wir gegen Holland gekommen wären. Denn der ausgefuchsten Trainer dieser Mannschaft, van Gaal, hätte uns schon ärgern können. Deswegen bin ich froh, dass wir gegen Argentinien spielen. Die sind für uns einfacher zu spielen, glaube ich.

SATTLER: Michael, für dich als Bayern-Fan: Robben gegen Höwedes wäre ein schönes Duell geworden, oder?

MICHAEL BALK: Das wäre ein schönes Duell geworden, und der Ausgang wäre eine klare Sache gewesen. Denn ein hüftsteifer Spieler wie Höwedes hätte gegen Robben keine Chance gehabt. Wobei: Höwedes hat ja zuletzt auch positive Kritiken bekommen. Defensiv hat er es ganz gut gemacht und ist auch bei Standards gefährlich. Aber trotzdem, finde ich, kann Höwedes als Außenverteidiger keine Dauerlösung sein.

KLAUS VEIT: Ja, stell dir vor, wir hätten überall ein gut besetztes Team gehabt. Wir schleppen schon Özil mit und sind trotzdem im Finale. Viel besser kann keine Mannschaft der Welt sein.

THOMAS REMLEIN: Deutschland wird am Sonntag Weltmeister, weil der Gegner ideal passt. Die Argentinier und die Brasilianer mögen sich ja so wie Frankfurter und Offenbacher. Insofern wird das Stadion schon mal auf der Seite der deutschen Mannschaft sein. Die Deutschen haben mit Anstand gegen Brasilien gewonnen, und das ist viel schwieriger, als mit Anstand zu verlieren.

KÖRBEL: Du meinst also, dass wir gnädig waren gegen Brasilien? Wir hätten auch zehn Tore machen können?

REMLEIN: Also acht hätten wir schon machen können, wenn Özil noch getroffen hätte. Aber dass die deutschen Spieler die brasilianischen getröstet haben, damit haben sie sich bestimmt die Sympathien der brasilianischen Zuschauer erworben.

SATTLER: Katja, ich hatte Mitleid mit den brasilianischen Fans, ging es dir auch so?

STURM: Ja, und mit den Spielern auch. Die waren ja völlig konfus. Das hat mir wehgetan.

KÖRBEL: Aber das ist so im Fußball, es ist nur schlecht, wenn es einen selbst betrifft.

SATTLER: Manuel, die eine Mannschaft gewinnt 7:1 gegen den Gastgeber, die andere quält sich mit einem 0:0 ins Elfmeterschießen. Ist da nicht schon via Quervergleich schon klar, wer Weltmeister wird?

MANUEL HIEMENZ: Auf jeden Fall. Wenn man mal die Kontraste vergleicht zwischen der einen Halbfinalpartie und der anderen, das war ja wie Tag und Nacht. Wenn man die ganze WM betrachtet, dann wäre Deutschland ein würdiger Weltmeister, und ich glaube auch, dass die Deutschen sich das Ding nach so einem Spiel gegen Brasilien nicht mehr nehmen lassen.

SATTLER: Aber Charly wird nicht entgangen sein, dass die Argentinier in der Abwehr sehr gut stehen.

KÖRBEL: Ja, sie werden sehr robust sein, sie werden sich hinten reinstellen und auf Messi hoffen. Und wenn Di Maria spielt, wäre das eine Katastrophe für uns. Das ist für mich einer der besten Spieler. Ich denke, die Argentinier werden ihn bringen, und er wird dann gegen unseren Freund Höwedes spielen. Ich glaube, wir werden Geduld brauchen. Ich wollte noch etwas zum Brasilien-Spiel sagen. Mir ging dabei durch den Kopf: Das hast du ja auch schon mal erlebt. Gegen Hertha BSC Berlin hatten wir einmal auch in der ersten Halbzeit 0:5 im Rückstand gelegen. Als Spieler kannst du da nichts mehr machen.

SATTLER: Ich habe mich gefragt, ob man da als Abwehrchef, der du ja auch einmal warst, nach dem 0:2 nicht mal zehn Minuten auf die Bremse treten kann, anstatt nach vorn zu laufen und das nächste Tor zu kassieren?

KÖRBEL: Ich habe es ja damals auch versucht. Du kannst in einer solchen Situation nichts mehr machen. Du kommst an die Mitspieler nicht mehr ran. Das ist so. Du kannst schreien: „Kommt zurück.“ Aber es reagiert keiner mehr.

SATTLER: Was ist euch von dieser WM bisher am stärksten in Erinnerung geblieben?

STURM: Für mich ist das Foul an Neymar sehr präsent, was so ein bisschen dafür steht, dass teilweise hart zu Werke gegangen wurde, und Neymar ist ziemlich zusammengetreten worden in den Spielen, die er gemacht hat.

HIEMENZ: Für mich waren es die brasilianischen Emotionen, die dabei waren, wenn die Nationalhymne gespielt wurde, und wie sich die Spieler gefreut haben nach dem Elfmeterschießen gegen Chile. Für sie muss es eine absolute Extremsituation gewesen sein.

BALK: Für mich war es eindeutig das Torwartspiel von Manuel Neuer. Das war sensationell. Emotional hat mich das Singen der Nationalhymne unheimlich berührt, und zwar nicht nur das der Brasilianer, sondern auch von anderen Südamerikanern. Die Musik endet, und dann singen Zehntausende im Stadion mit der Mannschaft noch eine Strophe, das geht mir sehr nahe.

KÖRBEL: Es ist eine tolle WM mit tollen Spielen. Ich war bei jedem Deutschland-Spiel beim Public Viewing in der Commerzbank-Arena. Ich fand es unglaublich toll, dass viele Familien dorthin gehen, dass sie das als Familienfest sehen. Es hat mich berührt, wie sie die deutsche Mannschaft anfeuern. Deswegen bin ich gespannt, was dort am Sonntag abgeht. Und ich habe auch zum ersten Mal beim Gucken ein Deutschlandtrikot angehabt. Meine Frau und meine Tochter haben zu mir gesagt: „Was ist denn jetzt los?“ Sie kennen das nicht von mir.

SATTLER: Was ist euer Tipp fürs Endspiel gegen Argentinien?

VEIT: Ich hatte ja bei dem WM-Tipp in unserer Redaktion auf Argentinien als Weltmeister getippt. Ich revidiere das jetzt. Deutschland gewinnt 2:0.

BALK: Ich hatte beim Tippspiel auch auf Argentinien getippt. Ich glaube aber mittlerweile fest daran, dass Deutschland gewinnt: 2:0.

HIEMENZ: 1:0 durch eine Standardsituation.

STURM: Ich hoffe auf ein Tor auf argentinischer Seite, damit es spannender wird und tippe 2:1 – für Deutschland.

REMLEIN: Ich tippe 2:2, und das Elfmeterschießen gewinnt Deutschland.

KÖRBEL: Ich sage 3:0.

SATTLER: Und ich sage 2:0.

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