Buenos Aires.
epa
epa
(dpa/afp) "Justizkolonialismus" nannte Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner die Entscheidung eines New Yorker Gerichts, dass ihr Land mehr als zehn Jahre alte Anleiheschulden in Höhe von 1,3 Milliarden Dollar an Investoren zurückzahlen müsse. Keinen Cent sollten die "Aasgeier" bekommen, betonte die Regierung. Doch für die Ratingagentur Fitch war die Meldung ein gefundenes Fressen, auf das sie sich stürzen konnte und die Kreditwürdigkeit Argentiniens gleich um fünf Stufen, auf CC, herabsetzte. Argentinien steht nun mit dem Rücken zur Wand.
Der Hedgefonds-Milliardär Paul Singer dürfte sich darüber gefreut haben, dass Richter Thomas Griesa Argentinien zwingt, eine Gruppe von Investoren zu bedienen, die Singers aggressiver Hedgefonds NML Capital anführt. In einem jahrelangen Rechtsstreit hat sich das Blatt damit überraschend zu Singers Gunsten gewendet.
Die Finanzspekulanten hatten sich vor knapp elf Jahren mit argentinischen Staatspapieren eingedeckt. Damals stand das Land vor der Pleite. Die Kurse der Anleihen waren im Keller, was einen Einkauf zu Schnäppchenpreisen ermöglichte. Argentinien stellte den Schuldendienst Anfang 2002 ein und erklärte sich für zahlungsunfähig. Mehr als 90 Prozent der Gläubiger nahmen bei einem Schuldenschnitt enorme Verluste auf ihre ursprünglichen Forderungen in Kauf, um nicht komplett leer auszugehen.
Ausschlachtung von Staaten als Geschäftsmodell
Singer und andere Investoren beteiligten sich an den beiden Umschuldungsrunden in den Jahren 2005 und 2010 allerdings nicht. Obwohl sie erst eingestiegen waren, als viele Experten den Zahlungsausfall bereits für absehbar hielten, klagten sie auf volle Rückzahlung der Anleiheschulden zum vollen Wert. Hedgefonds wie NML haben das Ausschlachten von Pleitestaaten zum Geschäftsmodell gemacht. Singer hat auch schon die Regierungen in Peru, dem Kongo und Griechenland in die Mangel genommen.
Die Methoden, mit denen Singers Heer von Anwälten Schulden eintreibt, dürften die meisten Inkassounternehmen vor Neid erblassen lassen. Rund um den Globus jagt NML Vermögenswerte in argentinischem Staatsbesitz. Im Oktober gelang der bisher größte Coup: Der Hedgefonds schaffte es per einstweiliger Verfügung, das argentinische Segelschulschiff "Libertad" in Ghana beschlagnahmen zu lassen.
Wesentlich wichtiger als solche symbolischen Aktionen ist jedoch der jüngste Erfolg vor Gericht. Dass überhaupt ein New Yorker Richter über argentinische Schulden entscheidet, liegt daran, dass die Anleihen seinerzeit unter US-Recht in Dollar ausgegeben wurden, um sie für internationale Investoren attraktiver zu machen. Das könnte dem Land nun zum Verhängnis werden.
Der Richterspruch bringt die argentinische Regierung in eine Zwickmühle. Denn er besagt, dass Buenos Aires seine Staatsanleihen nicht bedienen darf, solange die Altschulden bei den Hedgefonds nicht bezahlt sind. Argentinien hat zwar Berufung eingelegt und viele Experten sehen durchaus Chancen, sich letztendlich gegen die unangenehmen Gläubiger durchzusetzen.
Doch die Zeit drängt: Am 15. Dezember werden Zahlungen über 3,5 Milliarden Dollar gegenüber den Investoren fällig, die sich an den Umschuldungen beteiligt und neue Anleihen erhalten hatten. Dadurch wird der Fall hochbrisant. Bedient Argentinien die Hedgefonds, dürfte das als Freifahrtschein von Trittbrettfahrern aufgefasst werden. Insgesamt sind elf Milliarden Dollar an Auslandsschuld nicht in den Umschuldungen aufgenommen worden, rund 70 Prozent davon sind in New York vermarktete Bonds, der Rest stammt aus Europa und Japan.
Bleibt Buenos Aires stur gegenüber den Hedgefonds, kann US-Richter Griesa die Zahlungen an die restlichen Gläubiger quasi direkt vor der eigenen Haustür pfänden - das Geld soll über die Bank of New York ausgezahlt werden. Damit würde im schlimmsten Fall eine technische Staatspleite drohen. Glaubt man den Gerüchten am Markt, würde Singer auch davon profitieren - sein Fonds soll im großen Stil mit Ausfallversicherungen auf dieses Szenario spekulieren.