Der Fall Alberto Nisman wirft ein Schlaglicht auf Argentiniens Geheimdienste. Seit der Diktatur wurden sie nicht reformiert. Stecken sie hinter dem Tod des Staatsanwalts?
Wer hat Alberto Nisman getötet? Vermutlich wird man es nie erfahren. Auch fast drei Wochen nachdem der argentinische Staatsanwalt erschossen im Badezimmer seiner Wohnung in Puerto Madero, einem schicken Viertel von Buenos Aires, gefunden wurde, gibt sein Tod so viele Rätsel auf wie am ersten Tag. Und die Stadt ist voll von Verschwörungstheorien.
Drei Erkenntnisse schälen sich nach und nach aus den verwirrenden Fakten heraus. Alle drei hängen miteinander zusammen – und sie machen klar, wie schlecht es um Argentinien bestellt ist.
Erstens: Die argentinischen Geheimdienste, die seit den Zeiten der Diktatur nicht reformiert wurden, sind unkontrollierbar und möglicherweise lebensgefährlich für jeden, der ihnen in die Quere kommt. Zweitens: Der Fall, in dem Nisman ermittelte, wird vermutlich nie aufgeklärt werden. Und Erkenntnis Nummer drei: Niemand glaubt mehr den Verlautbarungen von Cristina Kirchner. Im Oktober wird in Argentinien gewählt. Doch die Regierung sei schon jetzt am Ende, twitterte der Schriftsteller Martín Caparrós.
Erst vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass im Hausmüll des erschossenen Staatsanwalts der Entwurf eines Haftbefehls gegen die Präsidentin und ihren Außenminister Héctor Timerman gefunden worden war. Das Dokument trug noch nicht die Unterschrift eines Richters und war damit juristisch gesehen unwirksam. Doch hätte Nisman tatsächlich die Verhaftung Kirchners erreicht, hätte er Argentiniens Demokratie wohl in eine Krise zuvor ungekannten Ausmaßes gestürzt, sagte der politische Analyst Sergio Berensztein der New York Times. Hat etwa die Regierung Nismans Tod befohlen, um die Präsidentin zu schützen?
In einer Krise jedenfalls steckt sie nun erst recht. Der Staatsanwalt starb nur Stunden bevor er dem argentinischen Kongress die Ergebnisse seiner Recherchen gegen Kirchner und Timerman präsentieren wollte. Nichts habe auf suizidale Absichten hingedeutet, sagen Journalisten und Angehörige, die kurz vor seinem Tod noch in Kontakt mit ihm standen. Auf dem Tisch in Nismans Wohnung waren Akten ausgebreitet, so als habe er sich zum Zeitpunkt seines Todes noch auf den wichtigen Termin im Parlament vorbereitet. Er hinterließ eine Einkaufsliste für das Hausmädchen – aber keinen Abschiedsbrief. Und offenbar hatte er Angst. Argentinische Medien zitieren den Staatsanwalt mit dem Satz, seine Ermittlungen könnten ihn das Leben kosten.
Rätselhafte Todesumstände
Dennoch sagt die leitende Ermittlerin Viviana Fein, bisher deute so gut wie alles auf einen Suizid hin. Am Tatort sei nur Nismans DNA gefunden worden. Doch Fein dementierte auch die Existenz des Haftbefehls gegen Präsidentin Kirchner, solange sie konnte.
Fein brauchte drei Stunden, um die Wohnung des Staatsanwalts zu erreichen, nachdem der Tote gefunden worden war. Vor ihr kamen dort an: eine Ambulanz, die Hafenbehörden, die Bundespolizei, und der Staatssekretär im Sicherheitsministerium Sergio Berni, ein Vertrauter von Präsidentin Kirchner. Was er am Tatort wollte, ist unklar. Offenbar verbreitete er als einer der ersten die These vom Suizid.
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