Als Präsident Mauricio Macri Ende 2015 sein Amt antrat, tat er dies mit dem Versprechen, die Regeln der Demokratie zu achten und mit der Opposition den Dialog zu suchen. Er wollte sich offenbar von Vorgängerin Cristina de Kirchner abheben, die mit ihren Gegnern einen konfrontativen Politikstil pflegte. Gerade anderthalb Monate im Amt, erntet Macri nun allerdings heftige Kritik, weil er mit ansatzlos erlassenen präsidialen Dekreten den Kongress umgeht, um strittige Maßnahmen durchzusetzen. So ernannte er zwei Verfassungsrichter und kippte das Mediengesetz, mit dem Kirchner das Medienkonglomerat Clarín regulieren und eindampfen wollte.
Justizminister Germán Garavano verteidigte die Verordnungen umgehend als „Notfallmaßnahmen“, die man ergreifen musste, weil der Kongress in der Weihnachtspause war. Macris Kritiker fühlten sich brüskiert. „Derart Absurdes hat nicht einmal Cristina de Kirchner fertiggebracht“, urteilte Daniel Sabsay, einer der führenden Rechtsexperten Argentiniens, über die Ernennungen am Verfassungsgericht. Von Rechts wegen bedürfe solche Amtsvergabe der Zustimmung des Senats, der zu einer außerordentlichen Sitzung hätte zusammengerufen werden können. Macri hat diese Option wohl verworfen, da die Mehrheit in dieser Kammer weiter Kirchners Frente para la Victoria (FPV) hält.
Seitens der Macri-Regierung heißt es, man habe hart durchgreifen müssen und wenig Rücksichten nehmen können, weil die Kirchner-Administration viel Chaos hinterlassen habe. „Wir haben die ersten drei Wochen damit zugebracht, alle möglichen Feuer zu löschen“, so Macri-Berater Hernán Iglesias Illa. „Die Dekrete waren schlicht notwendig, sie sind nicht etwa Teil einer großen Verschwörung. Am Obersten Gericht hatten zwei der fünf Richter das Gremium verlassen und mit nur drei Richtern kann die Kammer nicht arbeiten.“
Wie auch immer – Macris Einstieg ins Amt hinterlässt selbst bei seinen eigenen Anhängern einen bitteren Nachgeschmack. „Ich bin sehr traurig, denn alles, was Macri bislang getan hat, rührte mich fast zu Tränen, doch jetzt bin ich schockiert“, gesteht Daniel Sabsay. Wohl wissend, dass er die Stichwahl um die Präsidentschaft am 22. November nur mit einem dünnen Vorsprung gewinnen konnte, hatte Marci – in Abgrenzung zu Kirchner – eine neue Ära des Einvernehmens versprochen. „Wir wollen, dass jeder teilhaben kann, sei er nun Peronist oder Anti-Peronist”, hieß es und galt der Bewegung, die vom legendären ehemaligen Präsidenten Juan Perón 1946 gegründet und zuletzt durch Cristina de Kirchner repräsentiert wurde.
Jung und smart
Das Gelöbnis, niemanden auszugrenzen, kam bei den Wählern an. Viele hatten genug vom polarisierenden Stil Kirchners, deren Wirtschaftskurs quasi einen Graben mitten durch die Bevölkerung trieb. Doch wird die Zusage, auf die Opposition einzugehen, nicht eingelöst. „Wer einen solchen Dialog will, muss erlauben, dass Grundsätzliches zur Sprache kommt“ – so die Polit-Kolumnistin Beatriz Sarlo in einem Interview mit dem Fernsehsender TN – „der darf nicht als erste Amtshandlung den Senat umgehen.“
Was die Wirtschaftspolitik angeht, so scheint Macris Start mit einem Team junger, smarter Ökonomen an seiner Seite schon reibungsloser zu verlaufen. Alfonso Prat-Gay, der zuständige Ressortchef, ließ wissen, man peile für 2016 eine Inflationsrate zwischen 20 und 25 Prozent an, um Gottes willen nicht wieder mehr als 30 Prozent wie im Vorjahr. Sein Team gehe davon aus, dass internationale Investitionen wieder Geld in die von Kirchner leer zurückgelassenen Staatskassen spülen würden.
Die Gewerkschaften lassen schon die Muskeln spielen und verlangen ein Lohnplus auf Inflationsniveau. Raúl Alfonsín und Fernando de la Rúa, die beiden einzigen nichtperonistischen Präsidenten, die das Land seit der Rückkehr zur Demokratie 1983 regiert haben, konnten ihre Amtszeiten wegen akuter Haushaltsnot und sozialer Unruhen nicht zu Ende führen.
Uki Goñi ist Buchautor und Guardian-Kolumnist
Übersetzung: Holger Hutt