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Neureich: Auf fast 18 Millionen Dollar ist das Vermögen der Präsidentenfamilie Kirchner gewachsen
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Neureich: Auf fast 18 Millionen Dollar ist das Vermögen der Präsidentenfamilie Kirchner gewachsen
Früher schämten sich ehrliche Leute, wenn sie pleite waren. Es ist eben nicht ruhmreich, mehr auszugeben, als man einnimmt, oder sich mehr zu leihen, als man zurückzahlen kann. Doch der Jubel der Führung Argentiniens nach dem technischen Staatsbankrott in der vergangenen Woche ist selbst für unsere Epoche der finanziellen Rettungsschirme außergewöhnlich. Wirtschaftsminister Kicillof kehrte von der letzten erfolglosen Verhandlungsrunde mit zwei amerikanischen Hedgefonds in New York wie ein Triumphator nach Argentinien zurück. Präsidentin Fernández de Kirchner gab an dem partiellen Zahlungsausfall des Landes natürlich den „Finanzspekulanten“ die Schuld. „Zahlungsunfähig heißt, dass man nicht bezahlt hat“, sagte Kirchner. „Aber Argentinien hat bezahlt.“
Autor: Matthias Rüb, Jahrgang 1962, Korrespondent für Lateinamerika mit Sitz in São Paulo.
Wahr ist, dass Argentinien die fälligen Zinsen für mehr als 92 Prozent der umstrukturierten, stark reduzierten Altschulden aus der Zeit vor dem Staatsbankrott von 2001 fristgerecht auf das Treuhandkonto einer Bank in New York überwiesen hat. Nur durfte die Bank das Geld nicht an die Mehrheitsgläubiger weiterleiten, weil ein New Yorker Bezirksrichter verfügt hatte, dass zur gleichen Zeit die Forderungen zweier Hedgefonds erfüllt werden müssten, die nur knapp acht Prozent der Altschulden halten.
Man kann sich darüber empören, dass Spekulanten enorme Gewinne einstreichen würden, sollte sich Argentinien dem Richterspruch unterwerfen und die ausstehenden Forderungen samt Zinsen in Höhe von gut 1,3 Milliarden Dollar erfüllen. Nur sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass es die argentinische Regierung unter dem damaligen Präsidenten Néstor Kirchner selbst war, die vor Jahren diesen Bedingungen zugestimmt und sich in der Sache der amerikanischen Gerichtsbarkeit unterworfen hatte.
Kirchners Witwe und Nachfolgerin Cristina Fernández de Kirchner und ihre politischen Einflüsterer um Wirtschaftsminister Kicilloff wollen von der Mitverantwortung des Landes in dem finanzpolitisch und juristisch komplizierten Fall freilich nichts wissen. Stattdessen konstruieren sie das allenfalls halbwahre Greuelmärchen von den gierigen Geiern aus dem Norden, die sich auf ein unschuldiges Opfer im Süden stürzen. Wie gehabt, spenden die Schwesternationen aus der Nachbarschaft solidarisch Beifall.
Die Hauptverantwortung für das Scheitern der New Yorker Verhandlungen aber trägt Wirtschaftsminister Kicilloff – der auf eine Kandidatur bei der Präsidentenwahl im Oktober 2015 schielt. Erst einen Tag vor dem Ablauf der Frist für eine Einigung traf er sich erstmals überhaupt mit den Vertretern der Hedgefonds, nur um ihnen zu sagen, es werde keine Einigung und keinen Kompromiss geben. Bisher scheint das zynische Kalkül aufzugehen: Wie einst beim Falkland-Krieg 1982 soll eine mit Fleiß zugespitzte Krise mit der „Außenwelt“ von einer Krise im Inneren ablenken. Zwar werden die unmittelbaren Folgen des partiellen Zahlungsausfalls und der damit verbundenen Herabstufung der Kreditwürdigkeit Argentiniens überschaubar sein; denn das Land hat ohnedies seit gut einem Jahrzehnt nur eingeschränkten Zugang zu den internationalen Finanzmärkten, verfügt aber dank der Erlöse aus dem Rohstoff- und Agrarexport vorerst noch über ausreichende Devisenreserven.
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Begründer und Säulenheiliger des „Kirchnerismus“: der verstorbene frühere Präsident Néstor Kirchner
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Begründer und Säulenheiliger des „Kirchnerismus“: der verstorbene frühere Präsident Néstor Kirchner
Doch die Wirtschaftskrise wird sich jetzt weiter verschärfen. Schon jetzt befindet sich das Land in einer Rezession. Die Wirtschaft dürfte in diesem Jahr wegen ausbleibender Investitionen und abnehmender Konsumnachfrage um 3,5 Prozent 1,5 Prozent schrumpfen. Die Geldentwertung dürfte vierzig Prozent erreichen. Argentinien verdankt seine verhältnismäßig üppigen Exporte in den vergangenen Jahren vor allem dem Hunger Chinas nach Rohstoffen (Erzen und Metallen), nach Öl und Gas sowie nach Agrarprodukten (Soja und Fleisch). Doch Chinas Wachstumselan wird schwächer, die Weltmarktpreise für Rohstoffe sinken. Derweil geht in Argentinien das Fördervolumen von Gas und Erdöl zurück, weil ausländische Investoren in dieser Schlüsselindustrie von Verstaatlichung und Dirigismus abgeschreckt werden.
Unterdessen schüttet die Regierung weiter das Füllhorn der Sozialleistungen und der Subventionen aus. Doch diese Gaben an die politische Klientel werden durch die Geldentwertung sogleich wieder zunichte gemacht. Inflation und Rezession treffen besonders hart die Armen, also jene, deren Lage der linke „Kirchnerismus“ zu verbessern vorgibt. Richtig reich geworden sind dafür in den Jahren seit Néstor Kirchners Amtsantritt 2003 die Kirchners selbst: Ihr deklariertes Vermögen wuchs von weniger als einer halben Million Dollar auf jetzt fast 18 Millionen Dollar. In ihrer Heimatprovinz Santa Cruz haben sie sich ein kleines Wirtschaftsimperium zusammengekauft. Vizepräsident Amado Boudou ist wegen des Verdachts der Bestechlichkeit angeklagt.
Das Vermächtnis der Kirchners, das Kicilloff über die Wahl 2015 hinaus verteidigen will, besteht aus Nepotismus und Staatsdirigismus, Rezession und Inflation. Und aus Isolation von den Finanzmärkten, auf die Argentiniens Wirtschaft in den kommenden Jahren besonders angewiesen sein wird.
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Quelle: F.A.Z.
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