Associated Press
Mit Preiskontrollen versucht die argentinische Regierung die hohe Inflation in den Griff zu bekommen, die den Menschen zu schaffen macht. In einem zweiten Schritt gibt die Statistikbehörde jetzt auch realistischer Zahlen zur Teuerung heraus. Jahrelang waren nur private Schätzungen vertrauenswürdig.
BUENOS AIRES—Argentinien hat ein neues Messinstrument für die Inflation vorgestellt. Regierungschefin Cristina Kirchner will damit jene Kritiker besänftigen, die ihr vorwerfen, die Daten zu schönen. Nach der neuen Berechnung stiegen die Verbraucherpreise im Januar im Vergleich zum Vormonat um 3,7 Prozent.
Der Index, den die Statistikbehörde Indec am Donnerstag veröffentlichte, ist damit nicht weit von dem entfernt, was auch unabhängige Beobachter errechnet haben. Privaten Erhebungen zufolge, die von oppositionellen Abgeordneten zusammengetragen worden sind, lag der Preisauftrieb im Januar bei 4,6 Prozent und die Jahresteuerung bei 30,8 Prozent.
Nach der bisherigen offiziellen Berechnungsmethode hatten die staatlichen Statistiker für Dezember noch einen Preisanstieg von 1,4 Prozent ermittelt und von einer jährlichen Steigerung um 10,9 Prozent gesprochen. Bereits im vergangenen Jahr hatte der internationale Währungsfonds bemängelt, das Land veröffentliche Daten, deren Glaubwürdigkeit fragwürdig sei. Zuletzt hatte sich der Inflationsdruck merklich verschärft.
„Ich würde sagen, die neue Berechnungsmethode zeigt, dass die argentinische Regierung es ernst meint mit ihrer internationalen Agenda, vielleicht ist sie sogar noch etwas seriöser als wir gedacht haben", formuliert es der Credit-Suisse-Ökonom Casey Reckman.
Nach den neuen Indexmaßstäben werden die Warenpreise jetzt aus dem ganzen Land und nicht mehr nur aus dem Großraum Buenos Aires ausgewertet. Die Regierung will mit der veränderten Erhebung verlässlichere Daten liefern und das Vertrauen der Investoren wiederherstellen.
Der IWF reagierte vorsichtig auf den neuen Index und erklärte, man werde im Laufe des Jahres die veränderten statistischen Berichte Argentiniens zu Inflation und Bruttoinlandsprodukt prüfen.
Während der Index der neuen Regierung möglicherweise einigen Beifall bei Volkswirten einbringt, könnten die konkreten Zahlen dazu beitragen, die Situation für Kirchner noch zu verschärfen. Die jüngsten Daten deuten nämlich darauf hin, dass die Preise weit schneller anziehen, als die Regierung zunächst zugegeben hat. Damit dürften Gewerkschaften geneigt sein, deutlich höhere Lohnforderungen zu stellen.
Letztere hatten ohnehin schon eigene Schätzungen zur Grundlage für die jährlichen Tarifverhandlungen gemacht. Von den Gewerkschaften ausgerufene Streiks haben das Land mehrfach erschüttert.
Die Einbeziehung der Arbeitnehmer ist ein Punkt, der für die Politik der regierenden peronistischen Partei konstituierend ist. Doch in den vergangenen Jahren ist das Verhältnis zu deren Vertretern stark abgekühlt. Ein Grund dafür ist die Inflation im Land, die wiederum Folge einer überwiegend mit der Notenpresse finanzierten staatlichen Ausgabenpolitik ist. Eine fast 20-prozentige Abwertung des Peso zum US-Dollar im Januar hat das Feuer sozusagen noch angefacht, während sich die Wirtschaft weiter abkühlte und das Haushaltsdefizit der Regierung wuchs.
Die Kontroverse zur Inflationsberechnung läuft schon seit langer Zeit. 2007 entließ der damalige Staatspräsident Nestor Kirchner – der inzwischen verstorbene Mann der heutigen Präsidentin – Graciela Bevacqua, die Chefin der Verbraucherpreisabteilung bei der Indec, und einige ihrer Statistiker und Außendienstmitarbeiter.
Seitdem lagen die offiziellen Inflationsdaten um die Hälfte oder ein Drittel unter dem, was privat tätige Statistiker ermittelten. Mehr als ein Jahr lang kam es vor dem Indec-Gebäude zu monatlichen Protestveranstaltungen von Statistikern, immer genau am Tag der Veröffentlichung der jüngsten Inflationsdaten.
Als Frau Kirchner Ende 2007 ihren Mann im Amt als Staatspräsident beerbte, verklagte ihre Regierung zahlreiche Volkswirte und verhängte Strafen von 125.000 Dollar, weil diese eigene Inflationsschätzungen veröffentlicht hatten. Das brachte oppositionelle Kongressabgeordnete dazu, diese Schätzungen nun unter dem Schutz ihrer eigenen Immunität zu veröffentlichen.
Wirtschaftsminister Axel Kicillof stellte am Donnerstag Methodik und Datenbasis dieser privaten Schätzungen in Frage. Zuvor hatte Kabinettschef Jorge Capitanich vor Journalisten erklärt, der Kongressindex sei doch eigentlich eine „komplette Lachnummer".
Der bisherige Herr über die Preise auf Regierungsebene, Guillermo Moreno, hat sich gegen Ende des vergangenen Jahres aus seinem Amt zurückgezogen. Zuvor hatte ein Bundesgericht wegen der Verfolgung der Volkswirte gegen ihn eine Untersuchung wegen Amtsmissbrauchs eingeleitet. Alle Gerichtsverfahren – gegen die Ökonomen und gegen Moreno – laufen nach wie vor.
—Mitarbeit: Taos Turner
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