Wien. Wenn die Staatschefs des Mercosur Anfang dieser Woche zu ihrem Gipfel in Paraguay zusammenkommen, wird der Richtungswechsel in Lateinamerika bereits zu merken sein. Es ist das erste Treffen seit bei Wahlen in Venezuela und Argentinien Politiker gewonnen haben, die Eingriffe des Staates in das Wirtschaftsleben begrenzen wollen. Neben diesen beiden Ländern gehören auch Brasilien, Paraguay und Uruguay zum Mercosur-Handelsblock.
Besonders Argentiniens neuer Präsident Mauricio Macri-erst am 10. Dezember vereidigt-beeilt sich, in den ersten Tagen seiner Amtszeit die Wahlversprechen rasch umzusetzen. So senkte die neue Regierung bereits Exportsteuern für Agrarprodukte, änderte Importregeln und gab den Wechselkurs des Peso frei. Die neue Richtung der nationalen Wirtschaftspolitik in Buenos Aires steht allerdings im Konflikt zu vielem, was der Mercosur seit der Gründung 1991 vertreten hat. Sein Fokus lag vor allem auf protektionistischen Schritten, die den regionalen Handel und heimische Güter schützen.
Viele Länder in Lateinamerika leiden derzeit unter den eingebrochenen Rohstoffpreisen. Während in Brasilien der Korruptionsskandal um den staatlichen Ölkonzern Petrobras die Rezession verschärft, dürfte jetzt der Politikwechsel in Argentinien zu einem heftigen Rückgang der Wirtschaftsleistung führen: "Die verschärften geldpolitischen Bedingungen und die Währungsabwertung werden sich wahrscheinlich sofort negativ auf den Konsum auswirken", sagt Gabriel de Kock, Volkswirt bei JP Morgan. "Dies passt zu unserer Vorhersage einer scharfen Kontraktion der Wirtschaft im ersten Halbjahr 2016"
Pesos fällt drastisch
Vorige Woche hat der Peso mehr als 30 Prozent gegenüber dem US-Dollar verloren, nachdem die Notenbank erstmals seit vier Jahren den Wechselkurs freigeben hatte. Zugleich wurde deutlich, dass die Währungshüter den Wechselkurs vor allem über die Zinspolitik zu steuern gedenken. Um Kapitalabflüsse zu bekämpfen, hob sie ihren Leitzins von 28 auf 38 Prozent an. Jahrelang hatte die alte Regierung versucht, einen unrealistischen Wechselkurs aufrechtzuerhalten, wofür sie jedoch enorme Mengen an Devisenreserven verkaufen musste.
Unternehmen und Haushalte kommen jetzt zwar leichter an Dollar, um Importe zu bezahlen, und Haushalte können einfacher Fremdwährung erwerben, doch höhere Zinsen verteuern zugleich die Aufnahme neuer Kredite. "Das erfolgreiche Management des Peso wird entscheidend dafür sein, den drohenden Schock für die Inflation und die Realwirtschaft einzudämmen", sagt de Kock. Eine Abwertung lässt die Preise von Importgütern steigen, was im Inland gewöhnlich zu einem Inflationsschub führt.
Die ersten Tage der Wechselkursfreigabe waren nach Ansicht von Analysten allerdings ermutigend. "Eine perfekt orchestrierte Abwertung", schreibt Pilar Tavella von Barclays. "Die Tatsache, dass der Peso nicht überreagiert hat, ist ein positives Signal." Jetzt komme es darauf an, dass bei den Lohnverhandlungen mit den Gewerkschaften im März die Tarifparteien eine klare Richtschnur für das Inflationsziel der Regierung bekommen, um so die Auswirkungen auf die Teuerung zu begrenzen. Die offiziellen Inflationszahlen sind schon lang ein Zankapfel, weil sie offenkundig noch immer zu gering ausgewiesen werden (siehe Kasten).
Gleichwohl dürfte die Abwertung helfen, dass argentinische Unternehmen ihre Produkte im Ausland günstiger verkaufen können. Dazu sollte auch die Senkung und teilweise Abschaffung der Exportzölle auf Agrarprodukte beitragen. "Wir erwarten, dass sich das Wachstum noch vor Ende des nächsten Jahres mit den anziehenden Investitionen wieder erholt", sagt JP-Morgan-Ökonom de Kock.