Anleger zocken mit Argentinien-Anleihen

    Von PRABHA NATARAJAN

Vor dem Schicksalstreffen Argentiniens mit dem Obersten Gerichtshof der USA stürzen sich Anleger auf die Anleihen des südamerikanischen Landes – ein weiterer Beleg dafür, welche Risiken die Investoren für eine womöglich satte Belohnung in Kauf nehmen.

Die Gruppe der Käufer reicht von Spezialisten für Krisenanleihen bis zu ETFs, die auch für Privatanleger offen stehen. Auch die US-Bank J.P. Morgan

Chaise hat ihren Anteil an argentinischen Bonds in ihrem weithin beachteten Portfolio von Staatsanleihen angehoben. An dem orientieren sich bei ihren Geldanlagen Fonds mit einem Vermögen von insgesamt 229 Milliarden Dollar.

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Associated Press

Am 11. September beschloss das argentinische Parlament in Buenos Aires, im Bild bei der Eröffnungssitzung am 1. März, alte Anleihen durch neue abzulösen statt in bar auszuzahlen. Es folgte damit nicht den Vorgaben eines US-Gerichts.

Am Freitag kosteten argentinische Anleihen mit Laufzeit bis 2033 bis zu 66 Cent je US-Dollar Nennwert. Das ist der höchste Stand seit fast zwei Monaten, im laufenden Monat ist der Kurs um 13,4 Prozent gestiegen, wie Daten von Factset Research zeigen.

Argentinien steht vor dem Endspiel in einem Kampf mit rebellischen Anleihegläubigern, der bis ins Jahr 2001 zurückreicht. Damals hatte sich das südamerikanische Land für zahlungsunfähig erklärt. Der Oberste Gerichtshof der USA trifft sich am Montag, um über den Antrag Argentiniens auf Berufung gegen ein Urteil aus dem August zu entscheiden. Darin war das Land dazu verpflichtet worden, sich entweder mit den Alt-Gläubigern zu einigen oder auch die Zahlungen auf laufende Anleihen zu stoppen.

Argentinien droht die Zahlungsunfähigkeit

Sollten die Richter den Antrag ablehnen, droht Argentinien laut Analysten die erneute Zahlungsunfähigkeit, es wäre die dritte seit 1992. Ein Urteil könnte bereits am Dienstag gesprochen werden.

Das Risiko, Opfer eines Zahlungsausfalls zu werden, wird aus Sicht der Anleger allerdings von den Renditen übertroffen, die bei fast 13 Prozent liegen. Trotz wiederholter Rückschläge vor US-Gerichten haben sie bei Argentiniens Gang durch die Instanzen an den Anleihen festgehalten. Ungeachtet seiner jüngsten Kaufempfehlung wies J.P. Morgan allerdings darauf hin, dass argentinische Anleihen kein Langfrist-Investment seien.

Generell gibt es am Anleihemarkt nur noch wenige lukrative Ziele für Investoren. Durch die jahrelange lockere Geldpolitik der Zentralbanken in Industrieländern ist auch viel Geld in Schwellenländer geflossen. Folglich müssen Anleger höhere Risiken eingehen, um die gleichen Renditen zu erzielen wie vorher.

„Wenn man sich die Welt anschaut, findet man nicht so viele Länder, die hohe Renditen bieten", sagt Diego Ferro, Co-Chefanlagestratege bei Greylock Capital Markets, das sich auf Krisenanleihen spezialisiert hat und rund 700 Millionen Dollar an Kundengeldern verwaltet.

„All jene Länder, die noch hohe Renditen bieten, bergen hohe Risiken wie Venezuela, Ägypten oder eben Argentinien … man muss eben das richtige Gift wählen." Greylock hält seit Jahren argentinische Staatsanleihen und hat im September noch weitere Papiere zugekauft.

Hedgefonds halten an Argentinienanleihen fest

Argentinische Anleihegläubiger sind Unruhe seit Jahren gewöhnt. Nachdem das Land im Jahr 2001 für Anleihen im Wert von fast 100 Milliarden Dollar die Zahlungsunfähigkeit erklärte, gelang es später, 93 Prozent der Bonds umzuschulden. Die restlichen Papiere liegen bei Hedgefonds. Die haben sich unter Führung von Aurelius Capital Management und einer Sparte von Elliott Management einer Einigung widersetzt und beharren stattdessen auf der vollen Rückzahlung ihrer Anlagen.

Im Oktober 2012 entschied schließlich ein US-Gericht, dass die Alt-Gläubiger genauso behandelt werden müssten wie diejenigen, die die hohen Abschläge auf den Wert ihrer Anleihen in den Jahren 2005 und 2010 akzeptiert hatten, der mit der Ausgabe neuer Bonds einherging. Der Kurs argentinischer Staatsanleihen brach daraufhin ein. Der Schuldtitel mit Laufzeit bis 2033, der vor dem Gerichtsurteil bei 80 Prozent des Nennwerts gehandelt, fiel anschließend auf weniger als 60 Prozent zurück.

Im August bestätigte das zweite Bezirks-Berufungsgericht in New York das Urteil und forderte Argentinien auf, beide Gläubigergruppen zu bedienen. Die Entscheidung liegt aber so lange auf Eis, bis der Oberste Gerichtshof entschieden hat, ob er den Fall neu aufnimmt. Nach Meinung von J.P. Morgan könnte Argentinien den Vollzug einer Entscheidung des Gerichtshofs bis weit ins Jahr 2014 verzögern, etwa indem das Land weiteren Einspruch erhebt.

Das Kursniveau von vor dem ersten Urteil im vergangenen Jahr haben argentinische Anleihen noch nicht wieder erreicht. Die Empfehlung von J.P. Morgan und die Aussicht auf einen weiteren langen Ritt durch die US-Justiz locken aber neue Anleger an.

Ändert ein Regierungswechsel das Spiel?

Der iShare J.P. Morgan USD Emerging Markets Bond ETF, ein Indexfonds mit Schwerpunkt auf Schwellenländern, der das Musterdepot der US-Bank abbildet und 4 Milliarden Dollar verwaltet, hat seine Position in argentinischen Anleihen im September bisher um 4 Millionen Dollar erhöht.

Andere Anleger halten sich dagegen weiter zurück. Sie sehen kritisch, dass fallende Rohstoffpreise und ein nachlassendes Wachstum Argentiniens Staatsfinanzen zusetzen. Das könnte es dem Land selbst dann schwer machen, seine Anleiheschulden zu bedienen, wenn es vor Gericht Erfolg haben sollte. Argentiniens Dollarreserven, aus denen neben Importen auch die Zahlungen an Anleihegläubiger bezahlt werden, sind im laufenden Jahr um 19 Prozent auf 35 Milliarden Dollar geschrumpft.

"In Argentinien hat sich seit der Umschuldung im Jahr 1992 nichts geändert", sagt Jim Craige, Fondsmanager bei Stone Harbor, der über Anlagen im Wert von 63,9 Milliarden Dollar wacht. "Ihre Bereitschaft, die Schulden zurückzuzahlen, ist fragwürdig, und die Fähigkeit zur Rückzahlung erodiert." Craige hat seine Bestände an argentinischen Anleihen nach dem Urteil im August verkauft.

Fondsmanager bei Goldman Sachs

und Aberdeen Asset Management,

die sich am J.P.-Morgan-Portfolio orientieren, erklärten ebenfalls, dass sie der Empfehlung der Bank zum Kauf argentinischer Anleihen nicht folgen werden.

Andere schauen bereits über die Entscheidung des Gerichtshofs hinaus und auf die Kommunalwahlen in Argentinien im Oktober. Sollet die Partei von Präsidentin Cristina Kirchner dort schlecht abschneiden, könnte ihr die nötige Mehrheit für eine Verfassungsänderung fehlen, die ihr eine weitere Amtszeit über 2015 hinaus ermöglichen würde. Das könnte zur Wahl einer neuen Regierung führen, die offener für die Belange der Gläubiger ist.

"Es gibt in Argentinien eine Wechselstimmung. Jetzt ist die Zeit zum Kaufen, wenn man nicht zu spät auf die Party kommen will", Vertriebs- und Handelschef bei ACP Securities, einem Handelshaus mit 500 Millionen Dollar an Anlagen. Er hat im September Anleihen mit Laufzeit bis 2033 gekauft.

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