Als um 7 Uhr morgens der Notarzt kam

 

Gestern bat mich Marta (unsere Köchin und Hauswirtschafterin) um einen freien Tag, um eine Prozession zur lokalen Marienstatue in den Bergen zu machen. Maria, die Frau von Jorge, hatte diese Pilgerreise bereits angetreten, von Gualfin nach Salta – pro Tag 12 Stunden wandern, über 6 Tage, zur Feier der Fiesta de la Virgen del Milagro. Sie und Marta bereiteten am Morgen Empanadas vor. Ich aß mit Jorge und Maria in ihrer kleinen Küche. Jorge berichtete vom vorigen Besitzer, Señor Asevedra…  Ranch der Porteños „Er war nicht von hier. Er kam aus Buenos Aires. Deshalb nannten die Leute hier dies die Ranch der Porteños. (Die Leute aus Buenos Aires nennen sich selber so, was wörtlich „Leute vom Hafen“ bedeutet.)

 

„Aber er kam nach hier, bevor es überhaupt eine Straße gab – das war in den 1940ern – und brachte seine Familie mit. “Es gab keine Schule. Er hatte zwei Kinder. Deshalb arrangierte er einen Lehrer, der ein Klassenzimmer bekam. Dann lud er die lokalen Familien ein, auch ihre Kinder zu schicken.“ „Natürlich hatte von denen niemals jemand einen Fuß in eine Schule gesetzt. Und es gab auch kein Schulgebäude. Deshalb gingen die Kinder morgens Stunden bis zur Schule, und abends zurück. Der Unterricht fand von 11 Uhr bis 15 Uhr statt, damit die Kinder auch hin und zurück gelangen konnten.“

 

„Man konnte die Kinder auch nicht beköstigen. Deshalb wurde für jedes Kind eine Milchtasse mit dulce de leche (aus erhitzter Kondensmilch hergestellt) organisiert. Das war alles.“ „Die Kinder trafen sich in dem kleinen Haus da oben vor dem Hauptgebäude. Dann gingen sie dahin, wo Javier jetzt wohnt…da fand der Unterricht statt.“ „Auch ich ging da in die Schule, in den 1950ern und 1960ern. Maria kam 1970. Bis da hatte die Regierung die Schule schon übernommen. Aber die war immer noch im Haus von Javier.“

 

„Was passierte mit Asevedra?“ fragte ich. „Oh, das war lustig“, sagte Jorge mit einem breiten Lächeln. “Der Großvater von Francisco Rodo kam hierhin, um eine Kuh zu kaufen. Er fragte Asevedra, ob er je daran gedacht habe, den Ort zu verkaufen.“ „Machen Sie Scherze?“, sagte Asevedra. „Ich könnte diesen Ort niemals verkaufen. Dies ist das Paradies. Ich liebe es. Meine Familie liebt es. Wir sind hier für immer zu Hause.”

 

“Damals lebten dort ungefähr 70 Familien. Deshalb war es politisch gesehen wichtiger. Und Señor Asevedra nahm sich vor, Lokalpolitiker zu werden, und Gualfin als seine Basis zu nehmen.” „Deshalb kandidierte er als lokaler Abgeordneter. Und er ließ verlautbaren, dass er zu der Spitze der Lokalpolitiker aufsteigen wollte.“ „Als der Wahltag kam, trommelte er alle Leute von Gualfin zusammen. Sie gingen alle nach unten – auf Pferden, Maultieren, zu Fuß – in einer großen Prozession zum Wahllokal in Amaicha.“ „Und als der Wahltag beendet war, wurde die Box geöffnet und die Stimmen gezahlt. Señor Asevedra bekam nur eine Stimme – seine eigene.”

 

“Nun, das war es. Er teilte den Leuten mit, dass er mit ihnen nichts mehr zu tun haben wolle...oder mit Gualfin. Er sage, dass er verkaufen würde.“ „Nun, Sie können sich vorstellen, dass es keine große Nachfrage für eine so entlegene, isolierte Ranch bestand. Deshalb rief er Señor Rodo an.” “Er sagte, wollen Sie immer noch kaufen? Es gehört Ihnen. Sie können mich bezahlen, wenn Sie Geld haben. Ich gehe.”

 

...später bekam ich mit, dass die schwangere Frau, für welche der Notarzt gerufen worden war, die Berge herab transportiert wurde – auf Pferden und Schultern – und dann in ein Krankenhaus gebracht worden ist, und mir wurde gesagt, es gehe ihr dort gut. Das Baby ist noch nicht geboren.

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