Alfredo di Stéfano – Wegbereiter für den Mythos Real

Zidane, Puskas, Ronaldo, Raúl – jede Menge Weltstars haben das Trikot von Real Madrid getragen. Ein Denkmal ragt jedoch bei den Königlichen über all diese Superstars hinaus: Heute vor 60 Jahren bestritt Alfredo di Stéfano sein erstes Spiel für Real.

Der 27. September 1953 markiert den Beginn einer Ära. Nicht nur für Real Madrid, sondern für den gesamten europäischen Fußball. An jenem Tag empfingen die Hauptstädter Racing Santander. Erstmals trat Madrid mit seinem argentinischen Neuzugang an, dem auf der iberischen Halbinsel ein Ruf wie ein Donnerhall vorauseilte. "La Saeta Rubia" (der blonde Pfeil) , wie er in Argentinien genannt wurde, enttäuschte die Fans nicht. Er steuerte bei seinem Debüt einen Treffer zum 4:2-Erfolg bei und verhalf seinem Team damit zum Sprung an die Tabellenspitze – eine Position, die für Real in den kommenden elf Jahren der Ära di Stéfano zur Gewohnheit werden sollte.

20 Jahre wartete Real zu diesem Zeitpunkt auf seinen dritten Meistertitel, Klubs wie der Stadtkonkurrent Atlético Madrid oder der Erzrivale FC Barcelona waren in den Jahren zuvor an den Königlichen vorbeigezogen. Auch auf dem Transfermarkt mussten sie Niederlagen einstecken. 1950 hatte der FC Barcelona Madrid bei der Verpflichtung des ungarischen Mittelfeldjuwels László Kubala ausgestochen. Bei di Stéfano, dem Star des kolumbianischen Klubs Millionarios aus Bogotá, sollte dies nicht noch einmal passieren. In einem Freundschaftsspiel der Kolumbianer gegen Real 1952 hatte di Stéfano bei Santiago Bernabéu, Reals Präsidenten, bleibenden Eindruck hinterlassen. Allerdings waren auch dem Rivalen aus Barcelona die Fähigkeiten des Stürmers, der seit seiner Ankunft in Bogotá vier Meistertitel in Folge gewinnen konnte, nicht verborgen geblieben.

Transferposse zwischen Real und Barca

Der Kampf um di Stéfano verkam zu einem bizarren Transferstreit zwischen den spanischen Rivalen. Denn unklar war, bei welchem Klub die Rechte des umworbenen Stürmers lagen – bei di Stéfanos Heimatklub River Plate oder bei den Millionarios. Vor 1948 hatte di Stéfano für River Plate in der argentinischen Hauptstadt gespielt, bis ein Spielerstreik in der dortigen Primera División viele Stars in die Profiliga Kolumbiens vertrieb. Da River Plate beim eigenmächtigen Abgang di Stéfanos keine Transferentschädigung erhalten hatte, beanspruchten sie die Rechte für sich. Barcelona einigte sich mit dem Spieler und dem argentinischen Klub auf einen Transfer. Di Stéfano flog in die katalanische Metropole und bestritt erste Freundschaftspiele für seinen neuen Verein.

Der spanische Verband akzeptierte die Vereinbarung zwischen River Plate und Barcelona nicht, denn die Katalanen hätten sich gleichzeitig mit den Millionarios arrangieren müssen. Real Madrid verhandelte dagegen erfolgreich mit den Kolumbianern über einen Transfer. Zusätzlich erklärte sich Bernabéu bereit, River Plate zu entschädigen. Da nun beide spanische Rivalen für sich in Anspruch nahmen, di Stéfano verpflichtet zu haben, musste die FIFA gemeinsam mit dem spanischen Verband und den Präsidenten der beiden Vereine eine Lösung für die vertrackte Situation finden.

Barcelona verzichtet auf di Stéfano

Der Argentinier sollte in den vier folgenden Jahren im jährlichen Wechsel jeweils zwei Saisons für Barca und zwei für Real spielen, angefangen bei den Königlichen. In Barcelona war man mit diesem Kompromiss äußerst unzufrieden und verzichtete gegen eine Entschädigung aus Madrid auf den Star, der in den Freundschaftsspielen für die Katalanen einen eher lustlosen Eindruck hinterlassen hatte. Später behaupteten die im Transferstreit unterlegenen Barca-Verantwortlichen, nur auf Druck des Franco-Regimes auf di Stéfano von der Vereinbarung zurückgetreten zu sein.

Für Real erwies sich der Erfolg im Buhlen um den Argentinier als Wendepunkt. Gleich im ersten Jahr holte Real die so lange ersehnte Meisterschaft, di Stéfano wurde Torschützenkönig. Obwohl bei seinem Debüt im weißen Trikot schon 27 Jahre alt, blieb er elf Saisons und gewann in dieser Zeit acht Meistertitel. Zwischen 1956 und 1960 war das Weiße Ballett auch auf europäischer Ebene unschlagbar und holte fünfmal in Folge den Europapokal der Landesmeister. Vor allem das Finale von 1960 ist dabei in Erinnerung geblieben, gilt es doch als eines der besten Spiele aller Zeiten. Gemeinsam mit seinem in den späteren Real-Jahren kongenialen Partner Férenc Puskás fegte Di Stéfano die bedauernswerte Eintracht aus Frankfurt beim 7:3-Erfolg fast im Alleingang vom Platz. Di Stéfano erzielte drei, Puskás vier Treffer.

Vereinsrekorde und Nationalmannschaftspleiten

216 Tore erzielte der Mittelstürmer in seinen 282 Ligaspielen für Real Madrid, fünf Mal wurde er Torschützenkönig der Primera División. In jedem der fünf siegreichen Endspiele im Landesmeisterpokal erzielte er mindestens einen Treffer. Und dennoch hat diese Karriere einen Makel: Di Stéfano nahm niemals an einer Weltmeisterschaft teil. Argentinien verzichtete 1950 auf eine Teilnahme und konnte sich für die darauf folgenden Titelkämpfe nicht qualifizieren. 1956 erhielt di Stéfano die spanische Staatsbürgerschaft, aber auch als Nationalspieler seiner neuen Fußball-Heimat hatte er kein Glück. In der Qualifikation zur WM 1958 scheiterte Spanien an Schottland, vier Jahre später waren sie dann in der Endrunde dabei. Der inzwischen 35-Jährige stand zwar im WM-Kader, musste aber aufgrund einer Verletzung zusehen, wie sein Team in der Vorrunde ausschied.

Aber auch ohne Vollendung im Dress der spanischen Nationalmannschaft bleibt die Karriere di Stéfanos einzigartig, die nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn ihre Fortsetzung als Meistertrainer in Spanien und Argentinien fand. Mit seinem Einstand vor genau 60 Jahren setzte er nicht nur den Startpunkt für die Vormachtstellung Reals im spanischen wie im europäischen Fußball, sondern zementierte gleichzeitig die Rivaltät zwischen den Königlichen und dem FC Barcelona.

Die Karriere di Stéfanos in Bildern
Daten und Statistiken zu di Stéfano
EC der Landesmeister 1960: Real - Eintracht Frankfurt 7:3

Ralf Amshove

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