Wie 1954. Wie 1974. Wie 1990. Künftig wird die Jahreszahl 2014 zum Bildungsgut der Deutschen gehören. 2014, da war doch was: Klar, 2014, das Jahr, in dem die Nationalmannschaft den vierten Stern gewann. Nach dem Finale gegen Argentinien nahm Philipp Lahm den WM-Pokal in Empfang – nach Fritz Walter, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus als vierter Kapitän einer deutschen Nationalmannschaft. Eine große Mannschaft hat ihr Meisterstück geliefert. In sieben Akten in den siebten Himmel. 100 Tage nach Rio blickt DFB.de zurück auf einen Sommer voller magischer Momente.
In ganz Deutschland gibt es diese Szenen. In etlichen Umkleidekabinen, auf tausenden Sportanlagen, nach vielen großen und kleinen Siegen: Es wird gesungen. Nach dem größten Sieg gibt es in Brasilien in einer Umkleidekabine im Maracanã also Szenen, wie sie jeder Fußballer kennt. Die Spieler steigen auf die Tische, sie tanzen, sie singen. Jetzt von einem Tag, der so wunderschön ist, dass er nie vergehen möge. Plötzlich wird es leise, der Gesang ebbt ab, die Spieler verstummen. Die Unterbrechung hat einen Grund, den man in dieser Form in den Umkleidekabinen in Deutschland eher selten erlebt. Es treten ein: Bundeskanzlerin und Bundespräsident, Angela Merkel und Joachim Gauck.
Gauck ehrt die Weltmeister: "Das ist einfach großartig"
Es ist der erste Kabinenbesuch der beiden höchsten Repräsentanten des Landes in dieser Konstellation, der erste nach dem Gewinn des Spiels der Spiele, der erste, nachdem Mario Götze Deutschland mit seinem Tor zum 1:0 in der Verlängerung des WM-Finales gegen Argentinien zum neuen Weltmeister gemacht hatte. Die Fußballer werden ruhig, zwei Fußballfans beginnen zu reden. Aus den Worten der Regierungschefin und des Staatsoberhaupts ergeben sich zwei Reisen: eine Zeitreise und eine Weltreise. Joachim Gauck erzählt von 1954, davon, wie er damals in Rostock das Wunder von Bern verfolgte, sagt, wie der ganze Osten am Radio hing, als der Westen Weltmeister wurde. "Und heute sehe ich als Präsident, der damals auf der anderen Seite stand, diese wunderbare Mannschaft", sagt Gauck. "Das ist einfach großartig."
Die Bundeskanzlerin führt die Mannschaft aus der Vergangenheit nach China. Sie erzählt von ihrem Besuch im Fernen Osten, nach dem WM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Frankreich ist sie dort gewesen. Und alle kannten nur ein Thema: das DFB-Team. Merkel erzählt von der erstaunlichen Beliebtheit der Mannschaft in China und davon, welch großartige Botschafter Deutschlands die Spieler gewesen sind. Ihre Berichte schließt sie mit Worten, die im Understatement ihre Hochachtung zum Ausdruck bringen: "Was ich eigentlich nur sagen will: 'Sie haben das gut gemacht. Herzlichen Glückwunsch.'"
"Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin"
Die Spieler sind es, die die Weltreise akustisch fortsetzen. Die Nationalspieler besingen nun den Spielort Rio de Janeiro, um wenig später die weitere Reiseplanung bekannt zu geben: "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin." Genau genommen sind die Spieler dann nach Berlin geflogen, aber wer will bei Weltmeistern schon kleinlich sein. Jeder kennt diese Bilder: Berlin, Brandenburger Tor, Hunderttausende auf der Fanmeile, die Mannschaft als Epizentrum der Begeisterung. Nach dem Sommermärchen 2006 sind Spieler und Trainer hier umjubelt worden, auch 2008 nach Platz zwei bei der Europameisterschaft in der Schweiz und Österreich. Diesmal wollten sich die Spieler nur im Fall des Titelgewinns feiern lassen – der Fall des Titelgewinns ist eingetreten.
Und die Begeisterung darüber übertraf alles, was Deutschland zuvor an Begeisterung erlebt hatte. Als die Mannschaft nach der Landung auf dem Flughafen Tegel aus der Lufthansa-Maschine stieg, wurde sie weltmeisterlich empfangen: Menschen, Massen, Freude, Tränen, Rührung, Begeisterung, Jubel. Hunderttausende an der Straße, Hunderttausende auf der Fanmeile. Der vierte Titel versetzte das Land in einen Freudentaumel.
Die WM in Brasilien endete für das DFB-Team also, wie sie begonnen hatte: mit einem Rausch. Der Spielplan hatte für die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw Portugal als ersten Gegner vorgesehen, die Nummer zwei der Welt gegen die Nummer vier, das Auftaktspiel war auf dem Papier ein mögliches Halbfinale oder Finale. Die Geschichte des Spiels in Salvador im Zeitraffer: Mats Hummels (32.) traf einmal, Thomas Müller dreimal (12., 45., 78.). Am Ende stand ein 4:0, das erste Ausrufezeichen war gesetzt. Zu den Geschichten der 90 Minuten gehört die der Spieler, die gar nicht mitgespielt hatten. Vor dem Abflug nach Brasilien hatte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach im Hotel in Mainz in einer Rede vor der Mannschaft an den Teamgeist appelliert. Er hatte alle Spieler aufgefordert, ihr Ego zugunsten des Teams zurückzufahren und darauf hingewiesen, dass große Mannschaften große Titel nur gewinnen, wenn der Zusammenhalt groß ist. Im Spiel gegen Portugal hat die deutsche Bank den Nachweis des guten Teamgeistes eindrucksvoll erbracht. Und dieses Niveau hat sie über sieben Spiele gehalten.
Viele angeschlagene Spieler in der WM-Vorbereitung
Jedes Tor löste einen Freudentaumel auf der Bank aus, jede Szene wurde mit allen Emotionen mitgelebt. Die Perspektive der Ersatzspieler beschrieb Christoph Kramer nach dem Spiel gegen Portugal: "Wir sind alle total angespannt, wir fiebern mit. Gefühlt springen wir jede Minute auf, bereit zum Jubel, schlagen dann die Hände über dem Kopf zusammen oder springen vor Freude in die Luft." Das prägendste Bild des 4:0-Erfolgs war der Jubellauf von Hummels, der seinen Treffer zum 2:0 demonstrativ in einer Traube von Spielern feierte, die zu diesem Zeitpunkt nicht auf dem Platz standen.